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Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland

Inhalt: PI2023-08: „Vergessen Sie die Praxis nicht“: JKI-Vizepräsident Peter Zwerger verabschiedet

Mit stehenden Ovationen wurde der Vizepräsident und Leiter des Fachinstituts für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland im Rahmen eines Fachkolloquiums in Braunschweig am 27.06.23 in den Ruhestand verabschiedet.

(Braunschweig) Am 27. Juni 2023 war der Konferenzsaal am JKI-Standort Braunschweig-Messeweg bis auf den letzten Platz gefüllt: Kolleginnen und Kollegen, aktuelle und ehemalige Wegbegleiterinnen und -begleiter aus Wissenschaft, Politik, Behörden und landwirtschaftlicher Praxis hatten sich versammelt, um den JKI-Vizepräsidenten Dr. Peter Zwerger in den Ruhestand zu verabschieden. So benötigte JKI-Präsident Ordon mehr als zehn Minuten für die Begrüßung der Gäste. Auf dem Fachkolloquium wurde Vizepräsident Zwerger zudem die JKI-Ehrennadel verliehen. Die Ehrennadel ist die höchste Auszeichnung, die das JKI vergeben kann, und mit ihrer Verleihung würdigt das JKI Zwergers jahrzehntelange Verdienste und seinen unermüdlichen Einsatz für die Belange und Interessen des JKI.

Als Vizepräsident Stütze der Leitung

Mit seinem Eintritt in den Ruhestand hinterlässt Vizepräsident Zwerger fachlich und organisatorisch eine große Lücke am Julius Kühn-Institut. Fast drei Jahrzehnte (28 Jahre) wirkte der Agrarwissenschaftler „aus der Hohenheimer Schule“ mit Spezialgebiet Herbologie in leitender Position am Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen und seiner Vorgängereinrichtung, der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA). Das JKI verabschiedet nicht nur einen versierten Wissenschaftler, der zu allen Fragen des Unkrautmanagements kompetent Auskunft geben konnte, sondern auch einen beliebten und engagierten Fachinstitutsleiter, eine Fachkraft für Fragen der nationalen Pflanzenschutzmittelzulassung sowie der EU-Wirkstoffprüfung und in seiner Zusatzfunktion als Vizepräsident seit 2019 eine Stütze der Leitung, so fasste es JKI-Präsident Prof. Frank Ordon in seiner Laudatio zusammen.

Unkrautforscher mit hohem Bezug zur landwirtschaftlichen Praxis

Die fünf Grußwortrednerinnen und -redner aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, von der Schwesterbehörde BVL, vom Wissenschaftlichen Beirat des JKI und von der EPPO (European and Mediterranean Plant Protection Organization) dankten Kollegen Zwerger für die stets konstruktive Zusammenarbeit und exzellente fachliche Beratung, für die er oft auch nach Feierabend oder am Wochenende zur Verfügung stand. Zwergers besonnene Art, in kritischen Situationen zu agieren, und der stets hohe Bezug zur landwirtschaftlichen Praxis waren Eigenschaften, die in allen Reden hervorgehoben wurden. Dem Leitgedanken, dass Pflanzenschutz so reguliert und ausgestaltet sein muss, dass er in der Praxis auch umgesetzt werden kann, folgten auch die zwei Fachvorträge. Prof. Andreas von Tiedemann von der Universität Göttingen hinterfragte in seinem Vortrag die Rolle von Wissenschaft und Forschung für die verantwortungsvolle Regulierung eines praktikablen Pflanzenschutzes. Er kritisierte eine „Gefälligkeitswissenschaft“, in der Studienergebnisse nicht mehr von Meinungsäußerungen zu unterscheiden seien. Prof. Enno Bahrs von der Universität Hohenheim zeigte aus Sicht der Ökonomie die Grenzen der Reduktion chemischer Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft auf. Hierbei kamen auch die Diskrepanz von politischen Forderungen (Reduktionsziele) und der nicht berücksichtigten wissenschaftlichen Expertise (zum Beispiel von JKI und Thünen-Institut) zur Sprache.

„Bitte vernachlässigen Sie mir die landwirtschaftliche Praxis nicht"

Zwergers eindringliche Bitte in seinem Schlusswort fand im Auditorium eine hohe Resonanz. Denn es zählt zu den Alleinstellungsmerkmalen des JKI, dass es an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung arbeitet und in seiner Funktion als forschende Behörde als Bindeglied zwischen Bund- und Ländern fungiert. Im Rahmen seiner leitenden Tätigkeit am Institut für Unkrautforschung der BBA und später des JKI-Fachinstituts für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland, legte Zwerger den Grundstein für vielfältige Forschungsschwerpunkte und blieb in seiner Themen- und Methodenwahl stets am Puls der Zeit. So führte er zu Beginn seiner Laufbahn an der BBA einen der ersten Freisetzungsversuche mit transgenem herbizidresistenten Raps durch und sorgte frühzeitig mit dafür, dass ein Teil der Versuchsfeldflächen für den ökologischen Landbau zertifiziert wurden. An seinem Fachinstitut wurden alternative Unkrautbekämpfungsmaßnahmen erprobt, Herbizidresistenzen erforscht oder nützlingsfreundliche Wildblumenmischungen entwickelt. In den vergangenen Jahren wurden der Einsatz Drohnen, Künstliche Intelligenz und Präzisionslandwirtschaft relevant.

30 Jahrzehnte universitäre Lehre

Nach seinem Wechsel von Hohenheim nach Braunschweig und seiner Umhabilitation lehrte Zwerger ab 1995 zunächst als Privatdozent, dann ab 2001 als außerplanmäßiger Professor, an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Leibniz Universität Hannover. Die Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses war ihm, der selbst von der universitären Ausbildung in Hohenheim nachhaltig profitiert hatte, eine Herzensangelegenheit. Die starke Verbundenheit zur Unkrautforschung führte dazu, dass sein Institut seit 2012 federführend die „Deutsche Arbeitsbesprechung über Fragen der Unkrautbiologie und Unkrautbekämpfung“, kurz Unkrauttagung genannt, organisiert. Sie findet alle zwei Jahre in Braunschweig statt und zieht regelmäßig bis 250 Teilnehmende an. Ein weiteres besonderes Anliegen war es für Zwerger, die gewonnenen Erkenntnisse aus der praxisrelevanten Wissenschaft in die nationalen und internationalen Gremien zu transferieren und so in die Bewertungsverfahren in Verbindung mit angemessenen Risikomanagement-Maßnahmen einfließen zu lassen. Zwerger war nachgefragter Experte in wichtigen nationalen, europäischen und internationalen Gremien, wie z. B. in der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft (DPG), dem Deutschen Maiskommitee, der DLG, der European Weed Research Society (EWRS), der Weed Science Society of America (WSSA) oder in diversen Panels der EPPO.

Fachkraft für Pflanzenschutzmittelzulassung und EU-Wirkstoffprüfung

Mit der Gründung des Julius Kühn-Instituts 2008 wurde das von Zwerger geleitete BBA-Fachinstitut für Unkrautforschung mit dem Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland zusammengeführt. Damit vereinte dieses JKI-Fachinstitut vier wichtige Arbeitsbereiche, nämlich die Herbologie, Mykologie, Entomologie und Nematologie unter einem Dach. Als Institutsleiter dieses bis heute größten JKI-Instituts, arbeitete er gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden daran, das Institut strategisch gut aufzustellen und zukunftsfähig auszurichten. Dass dies sehr erfolgreich gelungen ist, bestätigte u.a. der unabhängige Wissenschaftliche Beirat des JKI nach seiner Begutachtung im Jahr 2022. Die Leistung verdiene auch deshalb besondere Anerkennung, da das Institut neben seiner für die Praxis so relevanten, wichtigen Forschung auch einen großen Anteil gesetzlicher Aufgaben schultert. Im Bereich der Bewertung von Pflanzenschutzmitteln war Peter Zwerger das „Gesicht des JKI“, so drückte es JKI-Präsident Ordon in seiner Danksagung aus. „Kritisch und konstruktiv brachten Sie sich äußerst zielführend in die Abstimmungsprozesse sowohl innerhalb des JKI als auch mit den anderen am Verfahren beteiligten Behörden und Arbeitsgruppen ein. Auch in schwierigen Diskussionen überzeugten Sie durch Ihre große Fachkompetenz, Ihre Besonnenheit und Ihr strategisches Denken“, heißt es in der Laudatio.

Eckdaten zum Werdegang

  • 1978 – 1982: Studium der Allgemeinen Agrarwissenschaften/Fachrichtung Pflanzenproduktion an der Universität Stuttgart-Hohenheim
  • 1983– 1984: Aufbaustudium Phytomedizin ebenfalls an der Universität Stuttgart-Hohenheim
  • 1987: Promotion (Uni Hohenheim) zum „Einfluss der Fruchtfolge, der Pflanzenbau- und Pflanzenschutz-Intensität auf die Populationsdynamik von Unkräutern unter besonderer Berücksichtigung des Windenknöterichs (Fallopia convolvulus (L.) A. Löve)“
  • 1993: Habilitation (Uni Hohenheim) zur „Modellierung und Simulation der Populationsdynamik von annuellen Unkräutern“
  • 1995: Umhabilitation an den Fachbereich Gartenbau der Universität Hannover
  • ab 1995 Lehre im Fachbereich Gartenbau der Universität Hannover, bis 2001 als Privatdozent und ab 2001 außerplanmäßiger Professor
  • 1995 – 2007: Leiter des Instituts für Unkrautforschung der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Braunschweig (BBA)
  • 2008-2023: Leiter des Instituts für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland am Julius Kühn-Institut in Braunschweig mit Außenstellen in Kleinmachnow und Elsdorf
  • 2019-2023: zusätzlich Vizepräsident des JKI

Liste Referenten und Grußworte beim Abschiedskolloquium

  • Vortrag 1: Prof. Dr. Andreas von Tiedemann, Georg-August-Universität Göttingen, Department für Nutzpflanzenwissenschaften, Abteilung Pflanzenpathologie und -schutz
  • Vortrag 2: Prof. Dr. Enno Bahrs, Universität Hohenheim, Fachgebiet für Landwirtschaftliche Betriebslehre
  • Grußwort 1: Dr. Anne Hoge-Becker, Leiterin des Fachreferates 713 „Pflanzenschutz“ am BMEL
  • Grußwort 2: Dr. Karola Schorn Leiterin des Fachreferates 714 „Pflanzengesundheit“ am BMEL
  • Grußwort 3: Friedel Cramer, Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
  • Grußwort 4: Dr. Ewa Matyjaszczyk, Scientific Officer in der EPPO (per Videobotschaft)
  • Grußwort 5: Prof. Dr. Bernward Märländer, Wissenschaftlicher Beirat des JKI und ehemaliger Leiter des Instituts für Zuckerrübenforschung an der Universität Göttingen

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