Beste Brotqualität erzeugen und zugleich Treibhausgase reduzieren – das hat ein neues Verbundprojekt zum Ziel. Mit der Übergabe des Förderbescheids durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) startet ein innovatives Projekt, mit dem Ziel, die Backqualität von Weizen ganz neu zu denken und mit modernsten Züchtungs- und Analytik-Methoden den Grundstein für den Backweizen von morgen zu legen.
Das Genom des Weizens ist sehr komplex, es umfasst rund 17 Milliarden Basenpaare und mehr als 100.000 Gene. Was das Forschen mit der wichtigsten Getreideart in Deutschland besonders anspruchsvoll macht, bietet zugleich eine riesige Chance. Denn: große genetische Vielfalt bedeutet auch große Anpassungsfähigkeit an neue Herausforderungen. Diese Chance wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den kommenden drei Jahren in einem gemeinsamen Projekt nutzen. Ziel ist, durch innovative Methoden der Pflanzenzüchtung die Entwicklung von Weizen mit einer verbesserten Proteinnutzungseffizienz voranzutreiben. Dieser Weizen soll zukünftig dazu beitragen, das Klima um Tausende Tonnen an Treibhausgasen zu entlasten und Brot in Deutschland somit klimaschonender zu erzeugen.
Proteinnutzungseffiziente Sorten sind Sorten, die bei relativ geringem Proteingehalt eine gute Backqualität zeigen. Bisher wird hohe Backqualität von Weizen vor allem mit einem hohen Proteingehalt im Korn assoziiert, der wiederum meist mit einer intensiven Stickstoffdüngung sichergestellt wird. Doch die Erzeugung von Stickstoffdünger und die auf dem Acker entstehenden Lachgas-Emissionen in Folge der Düngung haben einen hohen Anteil an den in der Landwirtschaft ausgestoßenen Treibhausgasen. Neue Untersuchungen der Projektpartner weisen einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma: sie konnten zeigen, dass es einzelne Sorten mit einer hohen Backqualität trotz vergleichsweise geringen Proteingehalts gibt. Diese sogenannten Korrelationsbrecher stehen nun im Fokus der Forschung und sollen es zukünftig ermöglichen, Weizen mit hoher Backqualität bei verringertem Einsatz von Stickstoffdünger klimaschonend zu produzieren.
Um diese Forschungsansätze in den kommenden drei Jahren effektiv zu entwickeln, hat sich ein einzigartiges Forschungsteam aus fünf Partnereinrichtungen zusammengefunden: Das Max Rubner-Institut, das den Verbund koordiniert, das Julius Kühn-Institut, die Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg, die Universität Bielefeld und die KWS Saat SE. Dabei trägt die KWS mit ihrer Züchtungsexpertise in Eigenleistung zum Forschungsvorhaben bei und verzichtet auf Fördergelder. Gemeinsam bringt das Team modernste Züchtungstechnologien, analytische Verfahren und modellbasierte Ansätze zusammen, um die Backweizensorten von morgen zu entwickeln. Wenn das Vorhaben erfolgreich ist, könnte es seinen Nutzen für das Klima und das Backen nicht nur für deutsche Landwirte, Müller, Bäcker und die ganze Produktionskette im Land beweisen, sondern auch weltweit ausstrahlen: von der Ukraine bis Indien, von Australien bis Kanada – Weizen wird überall angebaut.
Das Projekt wird vom Max Rubner-Institut (MRI) koordiniert. Das Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide, am Standort Detmold, bringt sich mit seinen Technika und seiner großen Expertise für die Qualitätsbestimmung von Getreide ein. Im Projekt wird der geerntete Weizen nach einem Standardverfahren vermahlen und analytisch hinsichtlich seiner für die Backeignung relevanten Eigenschaften untersucht. Die Backfähigkeit wird über standardisierte Backversuche ermittelt. Die wesentlichen Schritte der Getreideverarbeitung werden dabei abgebildet, so dass die zu erwartenden Ergebnisse die untersuchten Weizengenotypen und ihre Backqualität praxisnah beschreiben. Darüber hinaus werden mit Hilfe einer flüssigkeitschromatographischen Auftrennung die für Backqualität wichtigen Proteinfraktionen der Gliadine, Glutenine und Glutenin-Makropolymere untersucht, sowie die Stärkequalität bestimmt.
Die Universität Bielefeld (UniBi) übernimmt, zusammen mit dem MRI, die Analyse der Proteine und Stoffwechselprodukte im Weizenmehl. Die generelle Proteinmenge des Weizenmehls ist nicht das Kriterium für eine gute Backqualität. Es müssen die Proteine identifiziert werden, die entscheidend für das Backverhalten sind. Sind solche Proteine identifiziert, können heute die korrespondierenden Gene leicht ermittelt werden. Dies ermöglicht wiederum der Getreidezüchtung, solche Sorten auszuwählen, die besonders viele dieser gewünschten Proteine enthalten. Die aufwendige Analyse der Proteine und Metabolite, mit Hilfe unterschiedlicher Methoden der Massenspektrometrie, an der Universität Bielefeld wird durch die sehr gut ausgestattete „Core Facility OMICS“ (im Aufbau) unterstützt.
Die Verknüpfung der Datenpools des MRI und der Universität Bielefeld liefert Kandidatenproteine, die einen positiven Einfluss auf die Backqualität von Weizen bei relativ geringem Proteingehalt haben. Gleichzeitig sind diese Datenpools essenziell für die Detektion von genetischen Markern für die Backqualität durch den Verbundpartner Universität Halle-Wittenberg und die Entwicklung neuer, proteinnutzungseffizienterer Weizensorten durch den Verbundpartner KWS.
Die Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) stellt im MAGIC-KlimaBack-Verbund eine neuartige, multi-parentale Winterweizenpopulation und vorhandene Gensequenzdaten bereit. Zugleich wird die MLU das Winterweizensaatgut unter Hoch- und Niedrig-Stickstoffdüngungen in Halle anbauen. Die erhobenen Daten aus dem Feldanbau in Halle (und parallel bei der KWS) sowie aus den anschließenden Laboranalysen am MRI und an der Universität Bielefeld werden schließlich an der MLU mittels KI-Programmen ausgewertet. Dabei werden Pflanzen und deren Gene identifiziert, die die Backqualität bei gemäßigter Stickstoffdüngung positiv kontrollieren. Diese stehen am Ende des MAGIC-KlimaBack-Projektes für die Züchtung von Korrelationsbrechern mit reduziertem Stickstoffbedarf bei hoher Weizenbackqualität bereit.
KWS wird großflächige Feldversuche durchführen und Saatgut unter konventionellen und ökologischen Bedingungen in der gleichen Umwelt produzieren, um für die Forschung vergleichbare Ergebnisse sicherzustellen.
Das Julius Kühn-Institut (JKI) bewertet im Verbund das Treibhausgas-Minderungspotenzial neuer proteinnutzungseffizienter Weizensorten. Mittels prozessbasierte Agrarökosystemmodelle wird das Zusammenspiel von Genotyp, Management und Umwelt beim Anbau von Backweizen deutschlandweit über viele Jahre simuliert. So werden für verschiedene Regionen vielversprechende Anbauverfahren und Düngestrategien für bekannte Sorten und vergleichend für zukünftige proteinnutzungseffiziente Sorten untersucht. Die zu erwartenden Erkenntnisse sollen helfen, die Treibhausgas-Minderungspotenziale künftig möglichst effektiv erschließen zu können.
Das Projekt MAGIC-KlimaBack ist am 1. September 2024 gestartet und läuft bis Dezember 2027. Das Vorhaben wird vom BMEL im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms „Klimaschutz in der Landwirtschaft“ mit 1.127.913 € gefördert. Mit dem 2023 gestarteten Forschungs- und Innovationsprogramm fördert das BMEL Projekte, die dazu beitragen sollen, die Treibhausgas-Emissionen in der Landwirtschaft zu mindern.