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Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen

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Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland

Inhalt: Regionale Maßnahmenempfehlung zur Schilf-Glasflügelzikade

Gemeinsame Stellungnahme der Pflanzenschutzdienste der Bundesländer und des JKI-Instituts für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland

Die Schilf-Glasflügelzikade (Pentastiridius leporinus) und die von ihr übertragenen bakteriellen Erreger Candidatus Arsenophonus phytopathogenicus (ARSEPH; Gamma-Proteobakterium) und Candidatus Phytoplasma solani (PHYPSO; Stolbur-Phytoplasma) breiten sich bundesweit aus und stellen eine zunehmende Herausforderung für landwirtschaftliche Kulturen dar.

Für die Schilf-Glasflügelzikade (SGFZ) existieren derzeit keine verbindlichen Bekämpfungsrichtwerte. Die im bundesweiten Monitoring eingesetzten Klebetafeln (PAL-Traps) erfassen lediglich die Aktivität der Zikaden, jedoch nicht direkt die Befallshäufigkeit in den Beständen. Im Jahr 2024 wurden häufig geringe Fangzahlen festgestellt, während gleichzeitig ein teils hoher Erregernachweis in den Pflanzen dokumentiert wurde. Ursächlich hierfür ist vermutlich die kühle und feuchte Witterung während der Hauptflugzeit. Die heterogenen Ergebnisse lassen aktuell keine belastbare Korrelation zwischen der Anzahl gefangener Zikaden und dem tatsächlichen Auftreten der Pathogene in Zuckerrüben- und Kartoffelbeständen zu. Aus diesem Grund ist die Festlegung eines festen Bekämpfungsschwellenwertes, beispielsweise in Form einer definierten Anzahl an Zikaden pro Falle, derzeit nicht praktikabel. 

Als Bewertungsgrundlage für regionale Warndienstaufrufe empfiehlt das Julius Kühn-Institut (JKI) ein integratives Vorgehen unter Berücksichtigung 1) der Ergebnisse des Temperatursummenmodells der Zentralstelle der Länder für EDV-gestützte Entscheidungshilfen und Programme im Pflanzenschutz (ZEPP), 2) der Beobachtung der Fangzahlen auf Klebefallen (z.B. Erstfänge, Anstieg der Fangzahlen) sowie 3) einer Bestandeskontrolle, um die Aktivität der Zikaden im Feld mit den Monitoringdaten abzugleichen.

Da sich aus den Monitoringdaten derzeit keine festen Bekämpfungsschwellen ableiten lassen, erfolgt die Ableitung geeigneter Maßnahmen vorrangig auf Basis der regionalen Befallsausbreitung und der amtlichen Erregernachweise der Pflanzenschutzdienste der Länder. Vor diesem Hintergrund wurden die Anbaugebiete, in Abstimmung zwischen den Pflanzenschutzdiensten der Länder, bundesweit in drei Befallsregionen eingeteilt: Hot-Spot-Regionen, Übergangsregionen und Grenzregionen. Diese Klassifizierung dient der abgestimmten Ableitung differenzierter Pflanzenschutzstrategien zum Schutz der Kulturen vor der SGFZ und den von ihr übertragenen Erregern.

Definition und Vorgehen in Hot-Spot-Regionen

In Hot-Spot-Regionen sind die Anbausysteme durch einen intensiven Anbau von Wirtskulturen gekennzeichnet, wobei der Erregerbefall den Großteil des Bestandes (> 50 % der Pflanzen befallen) betrifft. Pflanzen zeigen auffällige Symptome des Syndrome Basses Richesses (SBR) oder von Stolbur-Infektionen. Es treten hohe Fangzahlen adulter SGFZ und ein erheblicher Besatz mit Nymphen auf. In diesen Regionen wurden bereits hohe Ertragsverluste, in Zuckerrüben deutlich verringerte Zuckergehalte und in Kartoffeln deutliche Qualitätsverluste gegenüber Vergleichsregionen ohne Befall festgestellt. Zudem ist in Hot-Spot-Regionen ein hoher Anteil von Doppelinfektionen mit ARSEPH und PHYPSO nachweisbar. Fangzahlen dienen hierbei lediglich als Orientierung; auch bei niedrigeren Werten können bedeutende Schäden auftreten, weshalb stets eine flexible Einschätzung anhand der lokalen Situation erfolgen muss.

In diesen Regionen ist der Insektizideinsatz bei einem regionalen Warndienstaufruf der Pflanzenschutzdienste notwendig und sinnvoll. Ergänzend dazu sind ausdrücklich pflanzenbauliche Maßnahmen zwingend erforderlich. Dazu gehören insbesondere:

  • die Vermeidung des Anbaus von Winterweizen nach Zuckerrüben und Kartoffeln, um die Mortalität der Nymphen im Boden durch Entzug der Nahrungsgrundlage zu erhöhen,
  • der Anbau von ausschließlich SBR-toleranten Zuckerrübensorten (basierend auf Sortenversuchsergebnissen; entsprechende Sortenlisten werden über die ARGE/Verband/Saatzuchtunternehmen bereitgestellt),
  • eine bevorzugt frühe Aussaat und Ernte,
  • sowie eine konsequente Bodenbearbeitung nach der Ernte.

Eine vollständige Bekämpfung der SGFZ und eine Tilgung der Erreger sind nicht möglich; Ziel aller Maßnahmen bleibt die deutliche Reduktion der Schäden.

Definition und Vorgehen in Übergangsregionen

In Übergangsregionen beträgt der Anteil befallener Pflanzen mit den Erregern zwischen 10 % und 50 %, wobei erste Symptome von SBR/Stolbur und vereinzelter Nymphenbesatz beobachtet werden konnten. Wirtschaftliche Schäden (Ertragsverluste, in Zuckerrüben Zuckergehaltsverluste und in Kartoffeln Qualitätsbeeinträchtigungen) sind bislang nur in geringem Umfang nachgewiesen. Auch in diesen Regionen sind Erreger sowohl in adulten Zikaden als auch in Kulturen nachweisbar.

Hier wird der Insektizideinsatz grundsätzlich nicht empfohlen. Nur bei regional hohem Risiko (z. B. hohe Zuckerrüben-/Kartoffeldichte, Vorhandensein weiterer Wirtspflanzenbestände oder schwere Böden) und einem spezifischen Warndienstaufruf der Pflanzenschutzdienste kann ein gezielter Insektizideinsatz erfolgen. Prioritär sind o.g. pflanzenbauliche Maßnahmen durchzuführen. Ziel in Übergangsregionen ist es, Ertragsverluste zu minimieren, die Vektorenpopulation, insbesondere die Nymphen im Boden, zu reduzieren und die Bildung neuer Hot-Spot-Regionen nachhaltig zu vermeiden.

Definition und Vorgehen in Grenzregionen

In Grenzregionen werden bislang nur geringe Fangzahlen adulter SGFZ festgestellt. Der Anteil befallener Pflanzen mit den Erregern liegt unter 10 %, und ein relevanter Nymphenbesatz konnte kaum oder gar nicht beobachtet werden. Ertragsverluste oder Einbußen der Zuckergehalte sind bisher nicht von Bedeutung. Allerdings sind Erreger in symptomatischen Pflanzen nachweisbar.

In diesen Regionen ist der Vorrang pflanzenbaulicher Maßnahmen klar festgelegt. Der Insektizideinsatz wird in reinen Zuckerrüben- und Kartoffelkulturen nicht durch den Warndienst empfohlen. Vorrangiges Ziel ist es, durch Fruchtfolgeanpassungen, die Entwicklung und Ausbreitung der SGFZ zu unterbrechen und den Aufbau neuer Populationen nachhaltig zu verhindern.

Zusammenfassend gilt:

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die durch Notfallzulassungen bereitgestellten Insektizidmengen begrenzt sind. Eine sorgfältige Priorisierung und gezielte Umsetzung der Bekämpfungsmaßnahmen in Abhängigkeit von der Regionseinstufung sind daher zwingend erforderlich. Weitere Informationen zu pflanzenbaulichen Empfehlungen, Notfallzulassungen und regionalen Warndienstaufrufen erfolgen rechtzeitig über die zuständigen Pflanzenschutzdienste der Länder. 

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