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Inhalt: Hoffnungsträger Struvit – Ein Phosphor-Recyclingdünger aus der Abwasserreinigung

Phosphor (P) ist ein wichtiger Pflanzennährstoff und unverzichtbar für die Nahrungsmittelproduktion. Die aktuellen Phosphorquellen sind jedoch endlich. Im Projekt P-Net bewertet das JKI die Wirksamkeit des P-Recyclingdüngers Struvit. Ein Zwischenstand…

(Braunschweig) Phosphor (P) ist ein essenzieller Pflanzennährstoff, der bis heute vorwiegend aus endlichen Rohphosphatreserven gewonnen wird. 2013 schätzte die Wissenschaftlerin Andrea Emmy Ulrich, dass die aktuellen Phosphorreserven der weltweiten Lagerstätten ja nach Szenario noch 50, vielleicht 200 Jahre reichen1. Phosphor aus erneuerbaren Ressourcen zurückzugewinnen, spielt daher eine sehr wichtige Rolle, um die zukünftigen Phosphorversorgung der Kulturpflanzen zu sichern. Im „Harz und Heide“-Projekt P-Net übernimmt das JKI-Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde die agronomische Bewertung des Recyclingdüngers Struvit – es geht darum herauszufinden, ob der P-Recyclingdünger  eine echte Alternative zur herkömmlichen mineralischen Phosphordüngung in der Landwirtschaft ist.

Was passiert bei der agronomischen Bewertung von Struvit?

Struvit ist ein Magnesium-Ammonium-Phosphat, das als Fällungsprodukt bei der Reinigung kommunaler und industrieller Abwässer auf Kläranlagen anfällt. Die agronomische Bewertung der Düngeprodukte erfolgt mithilfe unterschiedlicher Untersuchungsmethoden: „Nachdem die chemischen Zusammensetzung, sowie die Löslichkeit in Wasser und in unterschiedlich starken Säuren im Labor analysiert wurden, prüfen wir die Produkte in Vegetationsversuchen,“ beschreibt Dr. Sylvia Kratz vom Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, Leiterin des Teilprojekts Agronomische Bewertung, das Vorgehen. „Diese finden in unterschiedlichen Maßstäben statt, vom Gefäßversuch unter Gewächshausbedingungen bis hin zum Feldversuch im Freiland.“ Es werden der Biomasseertrag und die P-Aufnahme der Pflanze bewertet. Um wiederholbare Ergebnisse zu erzielen, die auch mit Ergebnissen anderer Versuchsansteller vergleichbar sind, muss unter möglichst standardisierten Bedingungen gearbeitet werden. Daher arbeiten Sylvia Kratz und ihre Kolleginnen und Kollegen an einer Rezeptur für ein Standardsubstrat mit genau definierbaren Eigenschaften – dieses soll sich möglichst ähnlich wie ein Ackerboden verhalten.

2021 setzten Paul Keßeler und Sylvia Kratz das „JKI-Standardsubstrat“ im Gefäßversuch mit Weidelgras erfolgreich ein, um einen Struvitdünger des P-Net-Partners SF-Soepenberg GmbH zu bewerten. „Dieser nicht-wasserlösliche Struvitdünger erzielte, unabhängig vom pH-Wert des Substrats, dieselben Biomasseerträge und P-Aufnahmen wie der voll wasserlösliche Handelsdünger Triple-Superphosphat,“ fasst Paul Keßeler zusammen.

Der realistische Maßstab: Vom Gefäßversuch ins Feld…

„Im Gefäßversuch wird das natürliche Wurzelwachstum der Testkultur durch den Gefäßraum begrenzt und es entstehen unnatürlich hohe Wurzeldichten. Typische Kulturpflanzen wie Mais oder Kartoffeln können wir für einen Dünge-Versuch bis zur Ertragsreife hier definitiv nicht anbauen,“ so Wissenschaftlerin Kratz. Zudem lässt sich der Testdünger nur in vermahlener Form homogen im Gefäß verteilen – keine praxisnahen Bedingungen im Pflanzenbau. Um die agronomische Wirkung realistisch bewerten zu können, wurde in mehreren On-Farm Feldversuchen zwischen Harz und Heide die Wirkung der im Projekt konfektionierten Struvitdünger untersucht. Der Schwerpunkt lag sowohl auf den konventionell als auch auf den ökologisch bewirtschafteten Flächen auf der Unterfußdüngung zu Mais. „Die Flächen wiesen jedoch einen guten bis sehr guten Versorgungszustand mit bodenbürtigem Phosphor auf,“ erinnert sich Keßeler, „daher konnten wir lediglich untersuchen, ob Struvitdünger das Phosphor-Level auf gut versorgten Flächen auch erhalten, wenn Phosphor-bedürftige Kulturen angebaut werden.“ Das Ergebnis war positiv: Unter den gegebenen Bodenbedingungen wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen der agronomischen Wirkung der Struvitdüngung und der betriebsüblichen P-Düngung festgestellt.

...in den Mesokosmos

Um die P-Düngewirkung der konfektionierten Struvitdünger auch unter Phosphor-Mangel und annähernd feldähnlichen Bedingungen klar isolieren zu können, wurde im Herbst 2023 ein mehrjähriger Containerversuch –sogenannte „Mesokosmen“ -  angelegt, in dem das nährstoffarme „JKI-Standardsubstrat“ zum Einsatz kommt. „Anders als im herkömmlichen Gefäßversuch mit maximal acht Litern Gefäßvolumen, steht den Pflanzen hier ein Wurzelraum von rund 800 Litern zur Verfügung,“ erklärt Keßler. So lässt sich der Struvitdünger des Projekts in unvermahlener Form in einer mehrjährigen Fruchtfolge (Weidelgras – Mais – Grünroggen – Kartoffel) mit einem handelsüblichen wasserlöslichen NP-Dünger (Diammonphosphat (DAP)) und einem weicherdigen Rohphosphat vergleichen – letzteres ist für den Ökolandbau bisher der einzige relevante mineralischer P-Dünger (s. auch Struvit und Ökolandbau).

„Wir erwarten erste Ergebnisse Ende 2024, Anfang 2025,“ kalkuliert Sylvia Kratz. „Der Nährstoff Phosphor lässt sich für die Pflanze durch nichts ersetzen. Sind die Ergebnisse unser Düngeversuche weiterhin positiv, hätten wir regional eine echte, alternative Phosphorquelle für die Landwirtschaft erschlossen.“

Struvit und Ökolandbau

Im Januar 2023 wurde der Recyclingdünger in die Betriebsmittelliste der EU-Ökoverordnung aufgenommen. Struvit ist damit, nach ordnungsgemäßer Bewertung im Rahmen der EU-Düngeproduktverordnung, auch für den Ökolandbau zugelassen. Zwar ist der Phosphor-Gehalt in organischem Düngemitteln hoch, doch gerade Öko-Betriebe ohne Tierhaltung können den P-Bedarf ihrer Kulturen meist nicht mit eigenem Wirtschaftsdünger decken. Als mineralischer (Zukaufs-)Dünger ist bisher nur weicherdiges Rohphosphat erlaubt – dieses muss, entgegen des Kreislaufgedankens, importiert werden. Regionales Phosphor-Recycling kann also eine Lücke im Düngemanagement des Ökolandbaus schließen.

Hintergrund zum Projekt P-Net

Das Forschungsprojekt „P-Net“ wird durch die BMBF-Fördermaßnahme „RePhoR“ unterstützt. Die Projektpartner befassen sich mit der verfahrenstechnischen Optimierung der Struvit-Erzeugung als Düngemittel. Zudem wird ein Netzwerk zum P-Recycling in der Region zwischen Harz und Heide aufgebaut. Die Projektleitung obliegt dem Institut für Siedlungswasserwirtschaft der TU-Braunschweig, das sich um die Verfahrenstechnik kümmert. Der Projektpartner SF-Soepenberg GmbH verarbeitet das auf Kläranlagen gefällte Struvit zu standardisierten Düngeprodukten. Das JKI bewertet die agronomische Wirkung der aus Struvit erzeugten Düngeprodukte.

Zur Projektwebsite: https://p-net.tech/

Kurzfilm zum Projekt: RePhor_Verbundprojekt P-Net

Klärschlamm wird seit Jahrzehnten landwirtschaftlich verwertet. Dies wird jedoch aufgrund seiner Belastung durch eine Vielzahl organischer Schadstoffe zunehmend kritisch gesehen. Die novellierte Klärschlammverordnung sieht daher vor, dass Klärschlämme aus größeren Kläranlagen ab 2025 nicht mehr direkt als Dünger in der Landwirtschaft ausgebracht werden dürfen. Dies macht eine Aufbereitung notwendig. Erst kürzlich hat die TU Brauschweig die Struvit-Fällung optimiert: Mit einem biologischen Verfahren können hier je nach Anlagenbetrieb bis zu 70 Prozent des Phosphats aus dem Klärschlamm herausgelöst werden.

Informationen zur aktuellen Prozessoptimierung der industriellen Herstellung von Struvit siehe Pressemitteilung TU-BS (Juli 2024).

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