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Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen

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Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz

Sie haben am 15.06. bei den DLG-Feldtagen einen Preis erhalten. Herzlichen Glückwunsch dazu! Wofür wurden sie ausgezeichnet?

Den Agrifuture-Concept-Preis haben wir gemeinsam mit der TU Braunschweig und dem Thünen-Institut für das Spot-Farming-Konzept bekommen. Wir haben an einer Ausschreibung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft für innovative landwirtschaftliche Konzepte teilgenommen und wurden als einer von fünf Gewinnern (PI2022-02: Konzept für Pflanzenbausysteme der Zukunft) ausgezeichnet.

Was ist damit verbunden außer Ruhm und Ehre?

Eigentlich nur Ruhm und Ehre. Aber natürlich auch Aufmerksamkeit für den Spot-Farming-Ansatz, den wir in diesem Rahmen noch einmal einem breiten Publikum präsentieren konnten.

Dann präsentieren Sie doch hier gleich noch einmal: Was ist denn Spot Farming überhaupt?

Wie der Name schon sagt, geht es um Spots, also kleinteiligen Ackerflächen, deren Eigenschaften vorab genau erfasst und kartiert werden. Allerdings ist das nur ein Aspekt eines Gesamtsystems. Spot Farming als System ist gewissermaßen ein Fitnessprogramm für die Pflanzenproduktion, die sich den Herausforderungen des Klimawandels stellen muss. Das Besondere ist, dass wir das Pferd von hinten aufzäumen: In der Vergangenheit hat die Technik bestimmt, wie wir Pflanzen anbauen. Dabei ist der Pflanzenbau ein bisschen in den Hintergrund getreten. Wir hingegen beginnen mit der Sicht auf die Pflanze und haben die Technik erst einmal ausgeblendet. Daraus ergeben sich drei Ebenen:
Die erste ist die der Einzelpflanze, die möglichst optimal versorgt werden soll. Die zweite Ebene ist die des Ackerschlags, also der Standort, zu dem die Pflanzen bestmöglich passen sollten. Die dritte Ebene ist die der Agrarlandschaft, die in ihrer Ausgestaltung die Kulturpflanzen schützen sollte.

Und was ändert sich auf diesen Ebenen im Vergleich zum bestehenden System?

Zur Standort-und Einzelpflanzenebene: Überspitzt gesagt, konnte man in der Vergangenheit mit nahezu unbegrenzten Ressourcen (Wasser, Düngemittel, Pflanzenschutzmitteln) auf jedem Standort gute Erträge mit fast beliebigen Kulturen erzielen. Das hat dazu geführt, dass auch wenig produktive Flächen, die zuvor nicht ohne Grund beispielsweise Wiesen waren, zu Ackerland umgebrochen wurden. Kein Winzer käme auf die Idee, seinen Weinberg an einem Nordhang anzulegen, aber im Ackerbau haben wir das in gewisser Weise getan. Mittlerweile stehen aber immer weniger Pflanzenschutzmittel zur Verfügung, und auch beim Düngen werden die Ressourcen knapper und die Auflagen strenger. Auch Trockenheit wird aufgrund des Klimawandels eine immer größere Rolle spielen. Deswegen wollten wir die natürlichen Ressourcen besser nutzen, um mit weniger Input gleich viel oder mehr Output zu erzeugen. Da geht es um den Boden, die Wasserversorgung, die Lichteinstrahlung und vieles mehr.

Spot Farming versucht hier nicht, an den großen Stellschrauben zu drehen, sondern viele Optimierungen im Kleinen vorzunehmen. Das betrifft zum Beispiel den Saatzeitpunkt, der von der Befahrbarkeit der Böden abhängig ist, und die ändert sich bei kleineren Maschinen. Alles in allem versuchen wir eine ideale Verbindung von Pflanze und Standort zu erreichen. Dabei kann ein Standort in sich sehr heterogen sein, was bedeuten kann, dass nicht mehr ein Schlag einheitlich bestellt wird, sondern das verschiedene Kulturen auf demselben Schlag stehen und manche Spots vielleicht auch gar nicht bewirtschaftet werden und dann andere Funktionen übernehmen.

Auf der Landschaftsebene haben wir aktuell immer größere Flächen mit einheitlichen Kulturen und abwechslungsarmen Fruchtfolgen. Dieser Strukturwandel ist mit Sicherheit einer der Gründe für den Verlust von Biodiversität. Es fehlt die Diversität in der Landschaft als Voraussetzung. Es fehlt an kleineren Strukturen und deren Vernetzung durch Gräben, Buschreihen, Blühstreifen, Hecken, Söllen, Wäldchen etc.

Pflanzenbau, Boden, Landschaftsstrukturen – Sie leiten aber ein Institut für Anwendungstechnik. Wo ist da der Bezug?

Ich bin zwar Techniker, habe mich aber über mein ganzes Berufsleben mit der Systemoptimierung beschäftigt. Daher der Blick auf das Pflanzenbauliche, weil da meines Erachtens das größte Potenzial liegt. Die Technik kommt erst ins Spiel, weil sich durch das Spot Farming die Struktur ändert: Alles wird kleinteiliger, wir haben keine quadratisch-praktischen Flächen mehr, sondern alles wird amorph – abhängig von der Bodenbeschaffenheit und Geländeausformung. Das kann ich mit den klassischen großen Schleppern nicht mehr bewirtschaften. Dafür braucht es kleine Geräte, was uns zur Robotik und Digitalisierung führt. Letztere benötigen wir zum Erfassen und Auswerten der Daten, auf deren Basis die Spots angelegt werden. Wenn ich dann später einmal die einzelne Pflanze behandeln oder düngen möchte und in Gleichstandsaat längs und quer in den Beständen hacken will, brauche ich hohe Präzision. Das ist aus meiner Sicht nur mit kleinen und langsamen Maschinen möglich, also mit autonomen Minirobotern.

Sie sprechen von amorphen Flächen. Geht es da um eine einheitliche Bodenqualität der einzelnen Spots?

Bodentyp und Bodenart spielen eine Rolle, aber auch Parameter wie Sonneneinstrahlung, Wasserverfügbarkeit, Effekte durch Rand- und Saumstrukturen oder auch Erosionsrisiken. Auf besonders erosionsgefährdeten Spots könnte dann zum Beispiel Dauerbegrünung angelegt werden. Gräben, Hecken, Bäume und andere Randstrukturen haben ja eine Funktion: Entwässern der Fläche, Schutz vor Erosion durch Wind sowie Wasser. Und zusätzlich vernetzen sie auch noch Habitate und bieten Nützlingen Lebensraum. Das wieder ins System hereinzuholen und nutzbar zu machen, ist eine weitere Stellschraube unseres Konzepts.

Wir haben also die Ebene der Einzelpflanze, wo es zum Beispiel um neue Saatverfahren geht. Wir haben die datenbasierte Einteilung des Ackers in Spots, und wir haben Miniroboter. All das macht das System Spot Farming aus. Was davon ist bereits vorhanden? Was muss noch entwickelt werden?

Das Gesamtsystem ist derzeit so noch nicht umsetzbar. Dafür fehlt uns an verschiedenen Stellen insbesondere die Technik. Aber wir arbeiten an den einzelnen Puzzleteilen. Wir haben am JKI bereits Sämaschinen entwickelt, mit der sich verschiedene Saatmatrizen mit hoher Präzision ausbringen lassen. Als nächstes soll bei der Aussaat jede Pflanze eine eigene Geokoordinate bekommen. Das ist dann wie im Kuhstall, wo jede Kuh durch ihren eigenen Namen personalisiert ist.
Wir forschen mit anderen Instituten am JKI an den Eigenschaften, die für die Pflanzen in solchen neuen Systemen besonders wichtig sind. In der Gleichstandsaat entwickeln sich Pflanzen aufgrund des größeren Platzangebots anders. Weizen breitet sich z.B. tendenziell erst einmal auf dem Boden aus, schießt später in die Höhe und bildet mehr Triebe. Zurzeit laufen Akzessionsversuche, in denen wir passende Sorten für die Gleichstandsaat identifizieren. Hier interessiert uns als nächstes, welche Sorteneigenschaften für Gleichstandsaat überhaupt wichtig sind – niemand weiß das derzeit.
Dann wollen wir ja auch mit weniger Ressourceneinsatz höhere Erträge erzielen. Ressourcen sparen wir etwa, indem wir beim Weizen in der Gleichstandsaat deutlich weniger Pflanzen pro Quadratmeter ausbringen. Wir kommen da aktuell auf 150 statt der praxisüblichen 300-350 Körner pro Quadratmeter, wobei wir noch nach dem Optimum suchen – in einem System, das wir im Detail noch gar nicht kennen. Trotzdem haben wir bei vielen Sorten schon jetzt vergleichbare oder sogar höhere Erträge in der Gleichstandsaat. Eventuell kann man bei den Aussaatdichten bei geeigneten Sorten ohne Ertragsverluste noch wesentlich weiter runtergehen, dann könnte der Weizen womöglich noch zur Hackfrucht werden.
Vor diesem Hintergrund entwickeln wir derzeit Roboter, die Zuckerrüben in Gleichstandsaat in verschiedenen Richtungen hacken können. Damit erwischen wir nicht nur die Unkräuter zwischen den Reihen, sondern auch die in der Reihe und könnten so bis zu 90% an Herbiziden sparen. Das Ganze ist ohne viel sensortechnischen Schnick Schnack möglich, wenn die Geokoordinaten der Kulturpflanzen bekannt sind.
Viele der Ergebnisse lassen sich auch schon im bestehenden System einsetzen, so dass statt einer abrupten Umstellung ein sukzessiver Systemwechsel möglich ist. Gleichstandsaat lässt sich beispielsweise auch in bestehenden Pflanzenbausystemen umsetzen.

Ist Spot Farming eigentlich „made in Braunschweig“, oder ist das ein Konzept, an dem weltweit geforscht wird?

Das ist nicht nur „made in Braunschweig“, sondern in Bezug auf das pflanzenbauliche Konzept sogar „made at JKI“. Natürlich sind die Rahmenbedingungen nicht überall gleich. Entsprechend wird das Konzept auch nicht überall ideal passen. Das ist aber auch nicht unser Anspruch. Es ist vielmehr unser Versuch, die verschiedenen Zielkonflikte – wie etwa Wirtschaftlichkeit versus Ökologisierung der Landwirtschaft, Maschineneinsatz versus Bodenschutz, Pflanzenschutz- und Düngung versus Artenvielfalt – aufzulösen.

Laut einer aktuellen Studie in PNAS stoßen wir bei den Landmaschinen an eine Gewichtsobergrenze, weil insbesondere viele Unterböden bereits zu verdichtet seien. Ist Spot Farming da ein Ausweg?

Spot Farming ist derzeit unser Kompass für die Entwicklung eines neuen Systems. Aber, bei kleineren Maschinen habe ich natürlich auch mehr Fahrspuren. Bedarfsgerechtere Maßnahmen bei Düngung und Pflanzenschutz können außerdem zu häufigeren Überfahrten führen, zumal der Roboter ja noch das Bestandsmonitoring übernehmen soll. Bei großen Maschinen ist zwar das Gewicht größer, aber es gibt gute Reifensysteme, die das zumindest zum Teil kompensieren. Was da am Ende besser für den Boden ist, weiß ich nicht, das wird sich noch zeigen müssen. Wir kommen aber auch aus anderen Gründen an Größengrenzen bei den Landmaschinen: Im Rahmen der Straßenverkehrsordnung und bezüglich der Akzeptanz in der Bevölkerung.

Anderseits geht von diesen großen Maschinen eine gewisse Faszination aus, und es gibt eine ganze Branche, die auf die Optimierung dieser Maschinen spezialisiert ist. Steht der ein disruptiver Umbruch bevor? Nicht jedes Unternehmen, das Schlepper bauen kann, ist in der Lage, autonome Roboter zu konstruieren.

Das sind wir an einer der vielzitierten Zeitenwenden. Die Firmen stehen vor folgendem Dilemma: Sie müssen einerseits die Nachfrage nach noch schnelleren und noch breiteren Maschinen bedienen. Insbesondere in Osteuropa wird diese Technik stark nachgefragt. Auf der anderen Seite müssen sie sich auf die Entwicklung von neuen (Roboter-) Systemen einstellen, deren Rahmenbedingungen derzeit gar nicht absehbar sind. Es ist aber schon jetzt viel Bewegung in der Industrie. Als ich 2017 meine ersten Vorträge zum Spot Faming gehalten habe, wurde ich belächelt. Seit sich die ersten Roboterprototypen in der Praxis bewähren, findet ein Umdenken statt. Viele Landtechnikfirmen beschäftigen sich bereits mit Robotik. Es gibt auch einige Start-Ups auf diesem Gebiet.

Wann ist Spot Farming als Gesamtkonzept umsetzbar?

Die notwendige technische Basis ist größtenteils vorhanden und muss „nur“ auf neue Anwendungen angepasst werden. Rein auf dieser Ebene wäre das in fünf Jahren machbar. Allerdings erzähle ich das schon seit 2017. Die größeren Herausforderungen sehe ich an anderen Stellen, z.B. bei der Forschungsförderung: Wir bekommen keine Förderung, um das Gesamtsystem zu entwickeln, stattdessen müssen wir uns immer wieder einzelne Puzzleteile herauspicken und diese Stück für Stück bearbeiten. Das dauert dann wesentlich länger und ist auch wesentlich ineffizienter.

Ist denn bei den landwirtschaftlichen Betrieben die notwendige Offenheit für einen solchen Systemwechsel vorhanden?

Das kann man schwer pauschal beantworten. Es gibt die Technikbegeisterten, die schnell dafür zu erwärmen sind. Ich habe bei Vorträgen und Diskussionen die Erfahrung gemacht, dass Praktiker es sofort verstehen, wenn man den pflanzenbaulichen Aspekt hinter dem Spot Farming erläutert. Da ist das Interesse groß. Aber natürlich ist Spot Farming auch mit größerem Aufwand für kleinteiligeres Monitoring und Management der Bestände verbunden. Deswegen entwickeln wir auch digitale Entscheidungshilfen, die bei der Handhabung dieses komplexen Systems die Landwirtinnen und Landwirte unterstützen sollen.

Eine letzte Frage: Sie haben als Experte am „Salon der Wissenschaft“ teilgenommen, einem neuen Format der Wissenschaftskommunikation. Ist Kommunikation auch mit fachfremdem Publikum eine Herzensangelegenheit für Sie?

Ich fand dieses Format sehr interessant und habe mich gefreut, da mitmachen zu dürfen. Ich würde jederzeit wieder teilnehmen, denn Wissenschaftskommunikation finde ich sehr wichtig. An erster Stelle stehen für mich dabei allerdings die Praktiker, nicht nur weil ich bei Veranstaltungen mit Landwirtinnen und Landwirten selbst stark profitiere. Ich war von 2005 bis 2013 Referent im niedersächsischen Biogasprogramm, bei dem sich alle Betreiber einer Biogasanlage fortbilden müssen. Da habe ich unheimlich viel mitgenommen. Zu hören, wo in der Praxis der Schuh drückt, ist für die angewandte Forschung extrem wichtig. Ich forsche auch nicht, um Paper zu publizieren, sondern weil ich möchte, dass unsere Ergebnisse möglichst schnell in der Praxis ankommen. Und Konzepte wie Spot Farming, bei denen auch gesellschaftliche Fragen eine Rolle spielen, kann man nur sinnvoll bearbeiten, wenn man dazu mit vielen Leuten ins Gespräch kommt und sie vielleicht auch davon überzeugen kann, dass das ein guter Ansatz ist. Ob nun Landwirt, Wissenschaftler, Politiker oder Bürger – mir macht dieser Austausch großen Spaß.

Das Gespräch führte Johannes Kaufmann, Pressereferent am JKI