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Institut für Bienenschutz

Glückwunsch zu fünf Jahren Institut für Bienenschutz. Was waren die wichtigsten Erfolge?

Wissenschaftlich hat sich wahnsinnig viel getan. Besonders schön finde ich, dass wir neben der deutlich ausgebauten Ökotoxikologie auch den Bereich der Agrarökologie ins Leben gerufen haben. Auf allen unseren Gebieten haben wir uns national und auch international gut vernetzt und etabliert.

Und was sind die größten Probleme?

Derzeit eindeutig die Räumlichkeiten. Wir haben zu wenig Laborplatz, um all das durchzuführen, was wir wollen und sollen. Wären nicht so viele Mitarbeitende des Instituts wegen Corona im Homeoffice, dann hätten wir gar nicht ausreichend Arbeitsplätze für alle. Das Problem wird aber durch den im Juli geplanten Wegzug des BVL von unserem Standort in Braunschweig - Messeweg gelindert.

Wie ist es mit dem Zugang zu Feldflächen für Freilandversuche?

Die Organisation der Versuchsfeldflächen hier in der Region funktioniert gut. Standortbedingt fehlt uns aber der Zugang zu Streuobstwiesen oder Weinbaugebieten, also zu den Raumkulturen. Das ist problematisch, weil gerade in diesen Kulturen intensiv Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Das lässt sich nur teilweise über Kooperationen kompensieren.

Was wäre nötig?

Wir brauchen ein Standbein in den Obst- und Weinbaugebieten in Süddeutschland, idealerweise mit Anbindung an unsere dortigen Fachinstitute. Unser Standort in Dossenheim wäre dafür beispielsweise perfekt geeignet.

Was ist das für Sie Faszinierende an Bienen?

Da ist so viel, dass ich das nicht in wenige Worte fassen kann. Mein Interesse begann mit dem Honig. Nachdem ich über die Ökotoxikologie im Agrarbiologie-Studium eher zufällig zur Untersuchung von Pflanzenschutzmittelrückständen und deren Auswirkungen auf Bienenvölker gekommen bin, habe ich auch sogleich mit dem Imkern angefangen. Das dann aber gleich sehr intensiv. Das Bienenvolk ist ein komplexes und hoch flexibles Wesen. Es ist viel älter als wir Menschen und hat so viele faszinierende Mechanismen – wie sie miteinander kommunizieren, wie sie ihre Probleme bewältigen, wie sie damit zurechtkommen, dass Imker ständig etwas mit ihnen machen. Bienen haben als Bestäuber eine große Bedeutung für die die Landwirtschaft, die Umwelt und eigentlich das ganze Leben auf dem Planeten.

Sollte man Imker sein, wenn man Bienen erforscht?

Ich finde ja: Gerade die imkerlichen Beobachtungen vermitteln Verständnis für ein Bienenvolk – auf was es wie und warum reagiert, welche Probleme auftreten, welche Interaktionen es zwischen verschiedenen Faktoren wie imkerlichen Management und Krankheiten sowie anderen Einflüssen gibt. Ich glaube, dass imkerliches Wissen essenziell ist. Jedes Jahr ist anders, und man lernt immer etwas Neues über Bienen. Das führt zu einem umfassenderen Verständnis des Wesens des Bienenvolks. Bienen zu halten, ist nicht schwer. Aber ein guter Imker zu werden und Bienen zu verstehen, das kostet Jahrzehnte.

Die Honigbiene wird häufig als drittwichtigstes Nutztier hinter Rind und Schwein bezeichnet. Ist da etwas dran?

Auf jeden Fall. Das zeigen ökonomische Berechnungen.

Erhalten Bienen denn die entsprechende wissenschaftliche und politische Aufmerksamkeit?

Ich freue mich, dass die Aufmerksamkeit für unser Fach seit 2008 stark zugenommen hat. Der Bund und das JKI haben viel investiert, um die Bienenforschung auszubauen. Damit stehen wir allerdings gegen den akademischen Trend. Und wenn man sich anschaut, wie viel Geld in die Agrarforschung insgesamt fließt, wie viele Menschen mit den anderen Nutztieren beschäftigt sind und wie winzig im Vergleich dazu die Bienenforschung ist, dann ist die Biene noch immer unterrepräsentiert. Wir sprechen hier von einigen Millionen Euro für Bienenforschung. Das ist nicht zu vergleichen mit den Summen, die in anderen Agrarforschungsfeldern investiert werden.

In der Pressestelle merken wir, dass Bienen derzeit auf großes mediales Interesse stoßen. Welche Auswirkungen hat das?

Wir freuen uns über viele Anfragen aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen. Diese Aufmerksamkeit führt allerdings auch dazu, dass die Biene in Schlachten gezogen wird, in denen es eigentlich gar nicht um Bienenschutz geht. Es gibt einige Organisationen, die zwar vordergründig mit der in der Öffentlichkeit so beliebten Biene argumentieren, aber letztlich ganz andere ideologische Interessen verfolgen. So verallgemeinern einige NGOs die reale Bedrohung mancher Wildbienenarten, um pauschal und auf Basis einer ausgesprochen wackeligen Datenlage einen Generalangriff auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu fahren.

Die Berichterstattung zu Bienen hat nicht selten einen apokalyptischen Unterton. Was ist dran am „Bienensterben“?

Ich halte nicht viel von diesem Begriff. Er ist mir zu undifferenziert. Es gibt eine Vielzahl von Ursachen dafür, dass Bienen sterben – von natürlichen bis zu menschlichen Einflüssen. Die häufig in der Presse erwähnten Überwinterungsverluste von bis zu 30 Prozent der Völker sind nicht falsch. Aber deswegen stirbt die Biene nicht aus, denn diese Verluste werden durch die Imker kompensiert. Darüber hinaus gibt es akute Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel. Weniger auffällig wiederum ist die schleichende Schwächung von Völkern im Lauf der Saison. Ein schwaches Bienenvolk mag möglicherweise nicht eingehen, es liefert aber auch keinen Honig und bringt keine hohe Bestäubungsleistung. Die Ursachen solcher Schwächungen sind noch nicht gut erforscht.

Ganz pauschal: Wie geht es den Bienen in Deutschland? Und welchen Einfluss hat die Landwirtschaft darauf?

Den Honigbienen geht es zumeist gut, auch wenn es Regionen und Situationen gibt, in denen das aus unterschiedlichen Gründen anders ist. Generell sind die Populationen in Deutschland aber nicht bedroht. Anders ist es bei den Wildbienen. Unter den etwa 580 Arten in Deutschland prosperieren einige zurzeit, insbesondere die Generalisten wie viele Hummelarten. Bei den Spezialisten, die auf bestimmte Nahrungspflanzen und Nistplätze angewiesen sind, sieht es zum Teil schlechter aus. Das sind auch die Arten, die unter unserem Umgang mit der Umwelt leiden. Das betrifft nicht nur die landwirtschaftliche Praxis, etwa weil sie zumeist auf Nahrungspflanzen spezialisiert sind, die wir nicht anbauen, sondern auch Städtebau, Landschaftsgestaltung usw.

Landwirtschaft und Bienenschutz werden häufig als Gegensätze dargestellt. Ist es überhaupt sinnvoll, ein Bienenschutzinstitut an einer Agrarforschungseinrichtung anzusiedeln?

Ich halte das sogar für ideal. Dass wir Landwirtschaft brauchen, ist unbestreitbar, aber wir wollen die Natur natürlich nachhaltig nutzen. Die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln, Unkrautbekämpfung, die Bewirtschaftung der verschiedenen Kulturen, verbesserte Anwendungstechnik etc. – all diese Themen haben eine direkte Verbindung zu Fragen des Bienenschutzes. Es ist unabdingbar, den Bienenschutz mit der landwirtschaftlichen Praxis zu verknüpfen, denn die Biene ist immer und in allen landwirtschaftlichen Verfahren in irgendeiner Form betroffen. Und welchen Sinn hat „reine“ Bienenforschung, wenn sie mit der landwirtschaftlichen Realität nichts zu tun hat? Aus realitätsfernen Laborversuchen lässt sich auch nicht ermitteln, auf was wir uns in der Zukunft einstellen müssen.

Was sind denn die aktuellen Themen, und welches sind die zentralen Fragen, denen sich Ihr Institut in den kommenden Jahren widmen wird?

In der Ökotoxikologie wird die Untersuchung von Mischungen verschiedener Stoffe sowie von subletalen Effekten von Pflanzenschutzmitteln immer wichtiger. Da müssen wir neue Versuchsmethoden entwickeln, um solche Effekte realistisch zu bewerten. Denn häufig lassen sich Effekte, die im Laborversuch auftreten, im Freiland nicht mehr feststellen. Das betrifft zum Beispiel Verhaltensänderungen bei Individuen, die aber auf Ebene des Volkes keine Rolle spielen. Da der chemische Pflanzenschutz künftig weiter eingeschränkt werden dürfte, gewinnen biologische Mittel zunehmend an Bedeutung. Zu denen gibt es aber noch keine angemessenen Prüfrichtlinien. Wir messen da mit zweierlei Maß: Auf synthetische Mitteln schauen wir mit der Lupe, manchmal mit dem Mikroskop, bei biologischen Mitteln verschließen wir die Augen oder schauen bestenfalls durch ein trübes Milchglas. Dabei können sich die im biologischen Pflanzenschutz genutzten Bakterien, Pilze und Viren in den verschiedenen Klimazonen eines Bienenstocks unterschiedlich gut etablieren und vermehren. Um die Folgen davon abzuschätzen, müssen die Prüfrichtlinien angepasst werden.

In der Agrarökologie überprüfen wir, welche Maßnahmen wirklich sinnvoll sind. Es gibt viele schöne Blühmischungen. Aber bringen die wirklich etwas? Und was soll überhaupt erreicht werden? Soll die Artenvielfalt erhöht werden oder die Zahl der Individuen vorhandener Arten? Oder sollen gezielt bestimmte seltene Arten gefördert werden? Wir entwickeln Konzepte für diese verschiedenen Ziele und prüfen ihre Wirksamkeit. Da geht es um die Zusammenstellung der Pflanzungen, die Vernetzung von Lebensräumen, die Zahl und Größe ökologischer Trittsteine zwischen diesen Habitaten und vieles mehr.

Das Gespräch führte Johannes Kaufmann, Pressereferent am JKI