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Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen

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Institut für Strategien und Folgenabschätzung

Die 2008 eingerichtete Stabsstelle Klimaanpassung am JKI wurde jüngst in Stabsstelle Klima umbenannt. Damit hat sich ihr Aufgabenspektrum bei der Beratung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BEML) erweitert. Zuletzt veröffentlichte sie gemeinsam mit dem Thünen-Institut, dem Deutschen Wetterdienst (DWD) und dem Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) die Stellungnahme „Klimawandelbedingte Ertragsveränderungen und Flächennutzung“ (https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn065147.pdf). JKI-Pressereferent Johannes Kaufmann sprach mit Dr. Sandra Krengel-Horney und Dr. Til Feike von der JKI-Stabsstelle Klima.

Was ist die Aufgabe der Stabsstelle Klima?

Til Feike: Wir sind eine Art Knotenpunkt: Als zentraler Ansprechpartner am JKI beraten wir das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zu Klimafragen. Wir haben die Übersicht darüber, was am JKI zu diesen Themen läuft, um diese Expertise auch intern zur Verfügung stellen zu können, versuchen aber auch, die interne und externe Vernetzung voranzutreiben und vertreten das JKI in wichtigen themenbezogenen Gremien.

Sandra Krengel-Horney: Nach einer anfänglich kapazitätsbedingt eher reaktiven Phase gestalten wir mittlerweile aktiver. Seit Til die Stabsstelle unterstützt, können wir das Arbeitsvolumen besser ausfüllen und haben außerdem fachliche Expertise gewonnen. Wir sind nun auch innerhalb des JKI sichtbarer, und es kommen mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf uns zu, um Aktivitäten, wichtige Themen und strategische Fragen mit uns abzustimmen.

Wie kam es zur Umbenennung in Stabsstelle Klima?

Feike: Bei der Gründung lag die Kernkompetenz des JKI augenscheinlich in der Anpassung der Pflanzenproduktion an den Klimawandel. Aber da die Themen wie Carbon Farming und Klimaschutz in der Landwirtschaft immer stärker auf die Agenda drängen, hat auch der Beratungsbedarf beim BMEL stetig zugenommen und entsprechend die Anfragen bei der Stabsstelle. Wir forschen am JKI eigentlich schon lange zum Klimaschutz in der Pflanzenproduktion, und so konnte sich die Stabsstelle sehr aktiv in die Planung von Projekten für das Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung einbringen. Wir werden in den kommenden drei Jahren gemeinsam mit Partnern aus verschiedenen Fachinstituten zahlreiche Projekte zum Klimaschutz entlang der pflanzlichen Produktionskette durchführen und haben auch die Koordination der Klimaschutzprojekte übernommen.

Ging es nicht auch um die Abgrenzung von der Arbeit anderer Einrichtungen wie dem Thünen-Institut?

Krengel-Horney: Am Anfang war das vielleicht so. Aber für unsere heutige Arbeit steht die Trennung nicht im Vordergrund, sondern die Abstimmung. Und auch das Thünen-Institut hat seine Stabsstelle um das Thema Klimaanpassung erweitert. Am Ende forschen beide Institutionen mit unterschiedlichem Fokus und Methoden zu Klima und Landwirtschaft, das JKI zu allen Themen mit Bezug zur Kulturpflanze; zu übergreifenden Themen gemeinsam und komplementär mit dem Thünen-Institut.

Sie haben das Klimaschutz-Sofortprogramm 2022 angesprochen, aus dem das JKI 13 Millionen Euro Fördermittel eingeworben hat. Um was geht es da?

Feike: Das sind Projekte aus allen drei Säulen des JKI: Pflanzenzüchtung, Agrarökosysteme und etwas weniger auch Pflanzenschutz. Da geht es unter anderem um den landwirtschaftlichen Boden und seine Funktion als CO2-Senke. Wir prüfen, ob diese Speicherpotenziale realistisch nutzbar sind und auf diese Weise effektiv Klimaschutz betrieben werden kann. Wenn durch bestimmte Maßnahmen zusätzlicher Kohlenstoff im Boden gespeichert werden kann, dafür aber die Produktion deutlich zurückgeht oder der Energieeinsatz deutlich steigt, ist in der Bilanz gegebenenfalls nichts gewonnen. Daher streben wir eine ganzheitliche Klimabilanzierung entlang der gesamten pflanzlichen Produktionskette an – von der Züchtung stickstoffeffizienterer Rapsgenotypen über pflanzenbasierte Milch- und Fleischersatzprodukte bis zur bedarfsgerechten Düngung unter der zunehmenden Variabilität der Witterung durch den Klimawandel.

Krengel-Horney: Es gibt also nicht den einen Schwerpunkt, sondern wir forschen von A bis Z. Durch komplementäre experimentelle Forschung, Erhebungen auf Betrieben und Modellierung sollen Stellschrauben für einen effektiven Klimaschutz identifiziert werden.

Weg von den konkreten Projekten am JKI hin zu den allgemeinen Fragen von Klima und Landwirtschaft: Was sind die größten Herausforderungen, vor die der Klimawandel die deutsche Landwirtschaft stellt?

Feike: Für mich besteht die größte Herausforderung aus dem Nebeneinander mehrerer Krisen: Klimawandel, globale Ernährung und Biodiversitätsverlust. Die Anforderungen an die Landwirtschaft nehmen schon ohne den Klimawandel stetig zu. Es müssen zugleich die negativen Umweltauswirkungen minimiert und die Produktivität gesteigert werden. Da kommen die klimatischen Probleme wie die jüngsten Dürrejahre und die stärkere Variabilität beim Wetter oben drauf. Die Herausforderungen bei der Klimaanpassung nehmen damit zu. Mit einfach nur mehr Trockenheit ließe sich ggf. noch umgehen, aber wir brauchen etwa in der Züchtung nicht nur Trockentoleranz, sondern auch verbesserte Ressourceneffizienz, höhere Standfestigkeit, Hitzetoleranz, verbesserte Krankheitsresistenz und vieles mehr.

Krengel-Horney: Hinzu kommen die betrieblichen Anforderungen. Am Ende müssen die Betriebe auch Geld verdienen. Aber herausstellen würde ich auch die zunehmende Variabilität: Wir wissen nicht, ob es mit der Dürre weitergeht oder jetzt feuchte Jahre kommen. Da fehlt die Planbarkeit. Es gibt ein großes Bedürfnis bei den Betrieben nach verlässlichen Vorhersagen, aber diese Verlässlichkeit können wir trotz datengestützter Modelle kaum bieten. Die Forschung muss diese Unsicherheiten aufgreifen, das ist definitiv auch eine Herausforderung.

Aber dass die größten Feinde des Landwirts Frühling, Sommer, Herbst und Winter heißen, ist doch nicht neu. War die Unberechenbarkeit des Wetters nicht schon immer die Herausforderung der Landwirtschaft?

Feike: Das ist grundsätzlich richtig. Aber die Ausschläge sind stärker geworden. Die Trockenheit von 2018, 2019 und auch 2022 war extrem. Aber selbstverständlich passt sich die Landwirtschaft kontinuierlich an sich ändernde Produktionsbedingungen an, auch an den Klimawandel. Das sieht man zum Beispiel an den Aussaatfenstern, die sich über die vergangenen Jahrzehnte verschoben haben. Da sagt kein Landwirt, wir haben immer am 1. Oktober gesät, und deshalb machen wir das die kommenden Jahrzehnte weiter so. Und auch die neuen Sorten, die in ein paar Jahren auf den Markt kommen, wurden unter den Bedingungen des Klimawandels und der Dürren der vergangenen Jahre gezüchtet. Entsprechend sind sie auch besser an diese veränderten Bedingungen angepasst.

Lässt sich das bestehende landwirtschaftliche System über Züchtung, Sortenwahl, Änderung der Fruchtfolgen, ackerbauliche Maßnahmen etc. anpassen, oder muss sich das ganze System ändern?

Feike: Die vielfach geforderte Transformation ist eine große Herausforderung. Wir haben mehrere Millionen landwirtschaftliche Betriebe in Europa, die zu ihren Flächen und Produktionsbedingungen passende Entscheidungen treffen müssen. Der notwendige Wandel bzw. die Anpassung kann nur mit diesen Betrieben gemeinsam erreicht werden. Vom Schreibtisch aus und ohne Austausch mit den Betrieben wird ein Systemwechsel nicht funktionieren.

Krengel-Horney: So variabel die Auswirkungen sind, so vielfältig ist auch die betriebliche Anpassungsfähigkeit. Das eine klimagerechte System wird es bei dieser Diversität der Betriebe und der Bedingungen, unter denen sie arbeiten, nicht geben. Es braucht eine Fülle von Maßnahmen, aus denen die passenden jeweils herausgesucht werden können, und da lässt sich auch innerhalb des bestehenden „Systems“ eine Menge erreichen. Wir müssen die Landwirtschaft nicht auf den Kopf stellen, um sie an den Klimawandel anzupassen.

In den Medien ist häufig zu lesen, dass der Ökolandbau z.B. durch höheren Humusgehalt im Boden besser mit der Dürre zurechtkommt. Ist Bio besser für Klimaschutz und -anpassung?

Feike: Ein erhöhter Humusgehalt verbessert definitiv die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu halten. Allerdings sind die Potenziale begrenzt: Bei optimalem Management ist realistisch mit einer Erhöhung um etwa 0,03 Prozent im Jahr zu rechnen, was das Wasserhaltevermögen um etwa 0,1 Millimeter erhöhen würde. Humusaufbau ist aus vielerlei Hinsicht wichtig, gerade auch für den Klimaschutz, jedoch hilft der Humusaufbau nur bedingt in Jahren mit extremer Dürre.
Die Frage, ob der Ökolandbau insgesamt besser für das Klima ist, lässt sich nur schwer beantworten. Der konventionelle Landbau weist eine höhere Landnutzungseffizienz auf, ist jedoch auf klimawirksamen Mineraldünger angewiesen. Zudem geht ein Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz häufig mit einem höheren CO2-Fußabdruck einher, weil die Ertragssicherung des Pflanzenschutzes die Ressourceneffizienz unterstützt.

Krengel-Horney: Auch die Konsumentensicht spielt bei dieser Frage eine Rolle. Selbst wenn es gelingen sollte, die Emissionen in Deutschland zu senken, würde eine vollständige Umstellung auf ökologischen Landbau bei unverändertem Konsumverhalten wahrscheinlich dazu führen, dass Emissionen in andere Produktionsregionen verlagert werden. Aber insgesamt ist diese Trennung in nur zwei Systeme nicht optimal. Besser wäre eine standortoptimierte Kombination aus sinnvollen Anbaumaßnahmen. Daran arbeiten wir z.B. im Projekt NOcsPS.

Bietet der Klimawandel eigentlich auch Chancen? CO2-Düngung und längere Wachstumsperioden könnten doch auch förderlich sein.

Feike: Durchaus. Wir haben den steigenden CO2-Gehalt der Luft und durch längere Vegetationsphasen mehr Sonneneinstrahlung, die von Pflanzen genutzt werden kann. In unseren Projektionen sehen wir auf jeden Fall Ertragssteigerungspotenzial – vor allem bei den Winterungen. Hinzu kommen neue Arten wie Soja, die künftig erfolgreicher angebaut werden könnten. Im Idealfall kann Klimaanpassung zugleich auch Vorteile in anderen Bereichen wie Fruchtartenvielfalt oder Ertrag bringen. Der angesprochene Humusaufbau durch diversere Fruchtfolgen ist hier ein gutes Beispiel.

Ist da die Berichterstattung zum Teil auch ungerechtfertigt apokalyptisch?

Feike: Wenn man sich anschaut, dass die Winterungen trotz der Extrembedingungen in diesem Jahr ziemlich gut abgeschnitten haben, ist da etwas dran. Es zeigt sich eben, dass der gesamte Witterungsverlauf entscheidend ist und nicht allein die extreme Dürre im Sommer.
Krengel-Horney: Außerdem wird offensichtlich, dass kurzfristige Bewertungen über ein-zwei Jahre nicht viel aussagen. Man muss längere Phasen betrachten, um die Klimafolgen für eine Kultur oder ganze Systeme bewerten zu können.

Das bringt mich zu meiner letzten Frage: Wie sieht die Landwirtschaft in Deutschland 2050 aus? Soja und Quinoa statt Weizen und Kartoffel?

Feike: Die Projektionen für 2050 sehen für alle Winterungen und selbst für die Kartoffel eine Steigerung der Erträge voraus. Nur beim Mais ist mit leichten Verlusten zu rechnen. Wir werden aber vermutlich mehr Soja, Hirse und Kichererbse auf den Feldern haben.

Krengel-Horney: Es wird wahrscheinlich diverser, aber dass wir bei einer Zeitreise in die Zukunft das Land nicht mehr wiedererkennen würden, glaube ich nicht. Die Hauptkulturen bleiben uns erhalten.