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Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen

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Institut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen

Inhalt: Interview mit Dr. Frank Marthe

Herzlichen Glückwunsch, Herr Dr. Marthe, zur Berufung als Leiter des Instituts für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen. Sie sind zwar ein echtes JKI-Eigengewächs, da der Newsletter aber auch von Externen gelesen wird, schildern Sie bitte kurz Ihren Werdegang.

Eigengewächs trifft es. Ich war ab 1995 bereits bei der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen (BAZ) tätig – im Fachinstitut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen, das seinen Namen mittlerweile schon mehrfach gewechselt hat und seit 2008 zum JKI gehört. Ich habe 1989 mein Studium der Pflanzenzüchtung und Saatgutproduktion an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beendet, war dann am Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben, wo ich zytologisch an Gerste gearbeitet habe. Von dort bin ich zur BAZ in Quedlinburg gewechselt. Damals habe ich begonnen, mich mit gartenbaulichen Kulturen zu beschäftigen, zunächst mit Brassica oleracea, also Kohl, und dann mit Arznei- und Gewürzpflanzen.

Ihr Studiengang in Halle war einzigartig in der DDR. Woher kam Ihr Interesse für die Landwirtschaft?

Mein Vater war Buchhalter in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, es gibt also einen familiären Bezug. Ich habe mich seit meiner Kindheit für Landwirtschaft interessiert.

Sie hätten auch in die Wirtschaft oder die akademische Forschung gehen können. Warum haben Sie sich für eine forschende Behörde entschieden?

Mich haben die Möglichkeiten an der BAZ überzeugt. Die sehe ich bis heute, auch wenn wir nicht mehr so viele feste Stellen am Institut haben. Diese Möglichkeiten möchte ich als Institutsleiter stärken, vor allem in der Netzwerkarbeit mit Züchtern und Anbauern. Darin sehe ich auch unseren Auftrag: die Themen zu bearbeiten, die für die Branche relevant sind, um den Raum zwischen Grundlagenforschung und Anwendung zu füllen. Wobei ich das durchaus auch international sehe, etwa mit Bezug auf den Verlust genetischer Ressourcen oder den veränderten Bedingungen durch den Klimawandel. Da sehe ich Deutschland aufgrund seiner Gunstlage in einer gemäßigten Klimazone in besonderer Verantwortung.

Mit der Institutsleitung ist eine Professur an der Hochschule Geisenheim University (HGU) verbunden. Sie lehren bereits an der Universität in Halle. Wie wichtig ist Ihnen die Lehre?

Lehre ist mir sehr wichtig. Das ist keine Einbahnstraße, man bekommt eine Menge zurück – selbst wenn man wie jetzt bei Online-Kursen vor schwarzen Bildschirmen sitzt. Viele der Studierenden haben einen landwirtschaftlichen Hintergrund. Das gibt noch einmal einen anderen Einblick in die Praxis. Die Diskussionen in diesen Kursen sind sehr fruchtbar.

Solche gemeinsamen Berufungen mit außeruniversitären Einrichtungen werden immer häufiger. Finden Sie das sinnvoll?

Ich finde das eine gute Idee. Es kostet zwar Zeit, vergrößert aber das Netzwerk und eröffnet Kooperationsmöglichkeiten mit den Universitäten und weiteren Einrichtungen, mit denen diese kooperieren. Und es macht das JKI bei Studierenden, also potenziellen Doktoranden und Postdocs, bekannter. Unsere Kursteilnehmerinnen in Halle besuchen regelmäßig das Institut. Das wird in Geisenheim hoffentlich auch so sein.

Häufig sind solche Co-Berufungen an einen Professorentitel geknüpft. Steht bei Ihnen die Habilitation an?

Die ist schon eingereicht. Das Verfahren mit der Verteidigung in Halle dürfte demnächst abgeschlossen sein. Ich finde das auch deswegen wichtig, weil ich dadurch als Gutachter auch in den Gremien bei der Verteidigung von Doktorarbeiten eingebunden werde, die am JKI angefertigt werden.

Politikberatung, Praxisbezug, Anpassung an den Klimawandel haben Sie angesprochen. Das sind die Notwendigkeiten. Haben Sie auch Lieblingsthemen, für die sie persönlich brennen?

Das sind auf jeden Fall die Arznei- und Gewürzpflanzen. Da geht es häufig um Projekte, die ich vor Jahren mal gestartet habe, an denen ich aber auch nach dem Abschluss weiter drangeblieben bin. Auch da geht es mir darum, Forschungsergebnisse bis in die Anwendung weiterzuführen – gerade weil die Züchter und Anbauer dieser Pflanzen eher kleine und mittelständische Unternehmen sind, die sich selbst keine Forschung leisten können.

Bei Arznei- und Gewürzpflanzen liegt der Nutzen auf der Hand. Ihr Institut kümmert sich aber auch um Zierpflanzen. Wo lässt sich da aus Ihrer Sicht der Ressourcenaufwand begründen?

Auf den ersten Blick mag man Zierpflanzen für Luxus halten. Ich sehe das aber anders: Es gehört nicht nur zu unserer Kultur, sondern ist offenbar den Menschen insgesamt wichtig, sich mit schönen Pflanzen zu umgeben. Eingebettet in einen Garten sind sie ein Ruhepol in dieser schnelllebigen Welt. Viele Menschen, mich eingeschlossen, brauchen ein solches Refugium, zu dem auch das urbane Grün zählt. Hinzu kommt die wirtschaftliche Dimension: Zierpflanzen generieren eine Menge Umsatz in Deutschland. Wenn wir das sichern wollen, brauchen wir auch Weiterentwicklung bei den Zierpflanzen.

Pflegen Sie als Gärtner Ihren eigenen Ruhepol?

Das habe ich mir für meinen Ruhestand fest vorgenommen. Zurzeit ist der Garten ein bisschen zugewachsen.

Ihr Institut koordiniert das Teilnetzwerk Pelargonium der Deutschen Genbank Zierpflanzen. Wie geht es da in Zukunft weiter?

Ich würde diese wichtige Sammlung in unserem Gewächshaus gerne noch stärker in Forschungsprojekten nutzen. Leider ist eine Erweiterung nicht so einfach. Ich hätte in meinem Urlaub in Tansania auch sehr gern Arzneipflanzen gesammelt, aber das ist nicht erlaubt. Sowas geht immer nur über internationale Kooperationen – was ja auch richtig ist.

Sie haben ein besonderes Interesse an internationaler Zusammenarbeit und kooperieren in einem Projekt bereits mit Brasilien. Was sind da Ihre Ambitionen?

Der Hintergrund sind die großen globalen Veränderungen, vor denen wir alle stehen. Wir müssen über den deutschen Tellerrand hinausschauen auf die großen Themen. Dazu zählt der Rückgang der Artenvielfalt. Wenn man einmal in Brasilien war, wird einem bewusst, wie viel mehr Arten als bei uns es dort gibt. Und es wäre gut und wichtig, wenn wir zum Erhalt dieser Vielfalt einen kleinen Beitrag leisten könnten.

Welches sind die größten Herausforderungen, vor denen Ihr Institut steht?

Ein Schwerpunkt soll künftig die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) und Big Data in der Pflanzenzüchtung sein. Das ist für uns noch relativ neu. Außerdem werden wir uns verstärkt den sekundären Metaboliten z.B. in Arznei- und Gewürzpflanzen widmen. Dafür werden wir eine Analytik-Einheit aufbauen. Das wird schwierig, weil wir keine zusätzlichen Stellen bekommen werden, unsere bestehenden Gruppen zu Gemüse, Zierpflanzen und Arznei- und Gewürzpflanzen aber beibehalten wollen. Und zuletzt bleibt natürlich noch der Anspruch, vermehrt in hochrangigen Zeitschriften zu publizieren und Drittmittel einzuwerben. All dies geschieht vor dem Hintergrund eines personellen Umbruchs aufgrund vieler anstehender Pensionierungen.

Sie waren kürzlich in Tansania und haben auf dem Kilimandscharo eine Fahne des JKI gebügelt. Wie kam es zu dieser Aktion?

Die Besteigung des Kilimandscharo war für einen Freund und mich die Antwort auf Corona. Ich wollte einmal einen warmen Berg besteigen – ohne Steigeisen. Sonst fokussiere ich mich sehr auf das Erreichen des Gipfels. Das war diesmal anders, weil wir beim Aufstieg viel im Regenwald unterwegs waren. Ich habe mich intensiv mit den einheimischen Rangern unterhalten und dabei viel über die Pflanzen und Tiere erfahren, den Chinarinden-Baum gesehen, der lange Zeit bei der Malaria-Bekämpfung eine wichtige Rolle spielte und Samuel Hahnemann zur Homöopathie inspiriert hat. In Afrika scheint die übrigens kein Mensch zu kennen. Ja, und die Fahne zu bügeln, war ein Spaß. Ich nehme mich bei solchen Dingen nicht ganz so ernst. Und es hat Fragen provoziert, die zu Gesprächen über Pflanzen und meine Arbeit geführt haben.

Auf unserem Twitterkanal kam die Aktion gut an. Haben Sie eine besondere Nähe zu den neuen Medien?

Im Gegenteil: Ich sehe, dass die Medienlandschaft sich dramatisch verändert und spüre meine Ferne. Ich schaue die Tagesschau und lese die Zeitung. Das Handyvideo war ein Experiment, um dieser fremden Welt etwas näherzukommen. Ich stehe den sogenannten sozialen Medien durchaus kritisch gegenüber. Aber Verweigerung ist keine Option.

Brasilien und Tansania zeigen Ihren internationalen Blick. Zugleich sind sie aber in der Region verwurzelt. Ist Quedlinburg Heimat für sie?

Ich bin vor mehr als 30 Jahren hierhergezogen und betrachte Quedlinburg als meine Heimat, ja. Ich lebe gerne hier und engagiere mich in der Stadtgesellschaft. Als ich als Student erstmals hier war, bröckelte sie noch vor sich hin. Es wurde auch aktiv abgerissen. Zum Glück gab es bereits damals Menschen, die den überragenden Wert des Gebäudebestands erkannt hatten. Die Sanierung Quedlinburgs ist eine absolute Erfolgsgeschichte, die ich jedem, der hierherkommt, gerne zeige. Bei Konferenzen organisiere ich daher möglichst einen Empfang im historischen Rathaus.

Die Pflanzenzüchtung ist über eine lange Tradition mit der Region und ihren ganz besonderen Witterungs- und Klimabedingungen verbunden. Und mir ist es wichtig, das JKI hier mit der Gesellschaft zu vernetzen. Deswegen engagiere ich mich als Leiter des Fördervereins für den Quedlinburger Musiksommer. Eines der Konzerte ist in jedem Jahr hier am JKI-Standort. Das gleicht hoffentlich ein bisschen aus, dass die Bekanntheit der Pflanzenforschung schwindet, weil hier nicht mehr so viele Menschen wie noch vor 30 oder 40 Jahren in dieser Branche arbeiten. Und es zeigt, dass die Schranke zwischen Institut und Stadt offensteht.

Das Gespräch führte Johannes Kaufmann, Pressereferent am JKI