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Institut für Biologischen Pflanzenschutz

Inhalt: Fliegende Virusfabriken retten seit den 1960er Jahren Kokospalmen

Der Palmen-Nashornkäfer, Oryctes rhinoceros (L.), ist ein gefürchteter Schädling von Kokos-, Öl- und Dattelpalmen. Er bohrt sich in den Wachstumskegel der Palmen, was schließlich zu deren Absterben führt.  Seit jeher verursachte der Käfer in seinen Verbreitungsgebieten enorme Schäden, vor allem an der Kokospalme, die in vielen Ländern für den Lebensunterhalt der Bevölkerung sowie für den Export von zentraler Bedeutung ist. 1963 trat Dr. Alois Huger auf den Plan, seit 1957 Wissenschaftler am damaligen Institut für biologische Schädlingsbekämpfung in Darmstadt. Dort war er u. a. mit dem Aufbau eines Diagnoselabors für Insektenkrankheiten betraut mit dem Ziel, neue Insektenpathogene zu entdecken. Er entschloss sich, im Auftrag der South Pacific Commission vor Ort nach wirksamen natürlichen Gegenspielern dieses Problemschädlings zu suchen, der aufgrund seiner Biologie mit herkömmlichen Methoden nicht wirksam zu bekämpfen war.

Nach intensiven diagnostischen Studien in Malaysia gelang es ihm, krankheitsverdächtige Larven zu finden. Der daraus isolierte Erreger, ein neues Virus, das heute als Oryctes rhinoceros-Nudivirus (OrNV) beschrieben ist, erwies sich in peroralen Infektionsversuchen mit Larven als tödlich. 1967 veranlasste Dr. Huger einen ersten Feldversuch im damaligen West-Samoa: Dabei wurden Brutstätten des Käfers mit Viren kontaminiert. Zur großen Überraschung verbreitete sich die Viruskrankheit autonom in den Populationen und sogar auf benachbarten Inseln, womit eine erfreuliche Erholung der schwer geschädigten Palmenbestände verbunden war. Die Erklärung für diese autobiologische Virusverseuchung brachte schließlich der erwachsene Käfer, der ebenfalls peroral für dieses Virus sehr empfänglich ist:  Durch eine einzigartige Viruspathogenese kommt es in seinem Mitteldarm zu einem massiven Virusreservoir, von dem er quasi als „fliegende Virusfabrik“ über längere Zeit über seinen Kot Viren verbreitet. Dies führt schneeballartig zu einer flächenhaften autonomen Virusverseuchung und damit zu einer drastischen Reduktion der Schädlingspopulationen.

Der Erfolg war enorm: Nur mit dem Freilassen von mit dem Virus infizierten Käfern in Verbindung mit phytosanitären Maßnahmen gelang ein wirtschaftliches und effizientes Bekämpfungsverfahren, das die Käferpopulationen langfristig unter der wirtschaftlichen Schadensschwelle begrenzt. Das Verfahren gilt als Meilenstein der klassischen biologischen Schädlingsbekämpfung, wofür Dr. A. Huger 1989 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet wurde.

2007 traten jedoch in Guam gravierende Palmenschäden durch Oryctes rhinoceros auf. Vor allem in Neuseeland durchgeführte intensive Studien zeigten, dass es sich dabei um einen bislang unbekannten, genetisch als Haplotyp G definierten Nashornkäfer handelt, der nicht für das Virus empfänglich ist. Dieser Oryctes-Haplotyp-G hat sich inzwischen als Palmenschädling in weiteren Ländern etabliert, darunter auch Hawaii. Nun gilt es, auch für diese Schädlingsvariante entweder einen neuen biologischen Begrenzungsfaktor zu finden oder zu versuchen, die Virulenz des Genoms des o. g. Oryctes-Virus entsprechend zu verändern.

Dr. Huger leitete das Diagnoselabor der BBA in Darmstadt von 1957 bis 1991. Seine Nachfolgerin, Dr. Regina Kleespies, erhält ebenfalls aus allen Teilen der Welt Einsendungen, die sie auf unbekannte Insekten-Krankheitserreger untersucht, immer mit der Hoffnung, ein weiteres erfolgreiches Agens zur biologischen Schädlingsbekämpfung zu entdecken.