Die pflanzliche Produktion ist durch vielfältige Schadensursachen gefährdet. Unkräuter, Viren, Bakterien, Pilze und tierische Schaderreger können die Kulturpflanzen schädigen. Landwirte, Gärtner, Obstbauer, Winzer oder Förster müssen die angebauten Pflanzen vor diesen Beeinträchtigungen schützen. Das trifft auch für den Freizeitgärtner zu. Der Schutz der Pflanzen soll zum einen die Ernteerträge und zum anderen gesunde und qualitativ hochwertige Nahrungs- und Futtermittel, Energiepflanzen und pflanzliche Rohstoffe für die Industrie sichern.
Die verfügbaren Maßnahmen des Pflanzenschutzes werden in Konzepten des integrierten Pflanzenschutzes und des Pflanzenschutzes im Ökologischen Landbau beschrieben. Ein wichtiger Baustein in dem Konzept des integrierten Pflanzenschutzes sind chemisch-synthetische bzw. natürliche Pflanzenschutzmittel. Die Mittel und ihre Wirkstoffe werden nach einem gesetzlich verankerten strengen Reglement im Rahmen einer harmonisierten europäischen Pflanzenschutzgesetzgebung geprüft, die eine Risikobewertung einschließt.
Das JKI ist in Deutschland im Rahmen der Genehmigung von Wirkstoffen und der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln für die Bewertung des Prüfbereichs „Wirksamkeit“ sowie „Schutz der Bestäuber wie z. B. Bienen“ zuständig. Der Prüfbereich gliedert sich in mehrere Unterprüfbereiche auf: Feststellung der zur erfolgreichen Bekämpfung erforderlichen minimalen Aufwandmenge, Beobachtung zur Entwicklung von Resistenzen von Schadorganismen gegen Wirkstoffe, Klärung unerwünschter Nebenwirkungen auf die Kulturpflanze, Überprüfung von unerwünschten Nebenwirkungen auf Nicht-Zielorganismen und Prüfung von Alternativen.
Gemeinsam mit zwei anderen Bewertungsbehörden, dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR, Prüfbereich „Gesundheit“) und dem Umweltbundesamt (UBA, Prüfbereich „Umwelt“), wird der Rahmen für das Risikomanagement durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) abgesteckt.
Bei der Genehmigung eines Wirkstoffes arbeitet das BVL internationalen Behörden zu. Die Entscheidung wird auf europäischer Ebene getroffen. Nur Wirkstoffe, die hier genehmigt sind, dürfen in den Mitgliedsstaaten in Pflanzenschutzmitteln enthalten sein. Derzeit gibt es in der EU ca. 440 genehmigte Wirkstoffe (Positivliste). Dabei handelt es sich um chemisch synthetisierte Stoffe, aber auch um Mikroorganismen, Pheromone (Lockstoffe) oder Pflanzenextrakte.
Das BVL ist auf der Grundlage der Bewertungen der drei genannten deutschen Behörden ebenfalls für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln für Deutschland zuständig und trifft administrative Maßnahmen zum Schutz von Kulturpflanze, Mensch und Umwelt. Um auch die Zulassung der Mittel weiter zu harmonisieren, d. h. innerhalb der EU anzugleichen, wurden die EU-Mitgliedsstaaten in drei Zonen eingeteilt. Eine EU-Verordnung von Juni 2011 (EU-VO 546/2011) regelt, dass Firmen (Antragsteller), die ein Pflanzenschutzmittel auf den Markt bringen wollen, gleich für mehrere Mitgliedsstaaten einer Zone Zulassungen beantragen können. Einer der Mitgliedsstaaten nimmt stellvertretend die Bewertung vor, die anderen können Kommentare abgeben. Sie erteilen auf dieser Basis in einem verkürzten Verfahren die Zulassung. Deutschland gehört zur
Zone B (Mitte).
* Wirkstoff = Stoff, der für die Wirkung eines Pflanzenschutzmittels verantwortlich ist.
Pflanzenschutzmittel = enthält den Wirkstoff und zusätzlich Hilfsstoffe (Formulierung),
die z. B. bewirken, dass die Verteilung des Mittels verbessert wird, es besser an Blättern haftet u.v.m.)
Das JKI ist in Deutschland im Rahmen der Genehmigung von Wirkstoffen und der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln für die Bewertung des Prüfbereichs „Wirksamkeit“ sowie „Schutz der Bestäuber wie z. B. Bienen“ zuständig. Der Prüfbereich gliedert sich in mehrere Unterprüfbereiche auf:
Diese und weitere wichtige Aspekte werden in den nachstehenden Punkten erläutert.
Gemeinsames Ziel aller am Bewertungsverfahren beteiligter Fachinstitute des JKI ist es, nicht wirksame und damit unnötige Pflanzenschutzmittel auf dem deutschen Markt zu vermeiden. Die notwendige Menge, die für eine erfolgreiche Bekämpfung von Schadursachen notwendig ist, soll außerdem so minimal wie möglich sein.
Dazu verschaffen sich unsere Experten ein Bild, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Entwicklungsstadien von Kulturpflanzen anfällig gegenüber Schaderregern sind und welche Entwicklungsstadien der Schaderreger potenziell gefährlich sind.
Sie fassen die Anwendungsbestimmungen so, dass nur die notwendige Menge eines Pflanzenschutzmittels zum richtigen Zeitpunkt gegen ganz bestimmte Schaderreger appliziert wird. Sie berücksichtigen Faktoren wie Jahreszeit, Klima, Boden und Bearbeitungsmethoden und auch die eingesetzte Gerätetechnik für die Ausgestaltung der Anwendungsbestimmungen. Unter diesen Voraussetzungen werden die Wirksamkeit des Prüfmittels und ihre Variabilität festgestellt. Diese Anwendungsbeschreibung dient den anderen Bewertungsbehörden als Grundlage für ihre Risikobewertung.
Wird ein Pflanzenschutzmittel (PSM) wiederholt angewendet oder die Wirkstoffe verschiedener Mittel haben sehr ähnliche Wirkungsmechanismen, kann es im Laufe der Zeit zur Selektion von Schadorganismen kommen, die unempfindlich gegenüber dem Mittel bzw. den Wirkstoffen werden. Die jetzt unempfindlichen Organismen können sich – obwohl PSM eingesetzt werden – ungehindert weiter vermehren. Dies mündet letztlich in einer Resistenz. Das heißt, diese Schaderreger können nur noch mit einer höheren Aufwandmenge an PSM mit anderen Wirkungsmechanismen ausreichend (Fachbegriff: hinreichend) oder gar nicht mehr bekämpft werden.
Die Gefahr, dass sich Resistenzen bilden, kann verringert werden, wenn Mittel gegen Schadorganismen mit unterschiedlichen Wirkungsweisen abwechselnd genutzt werden. Ein weiterer Weg ist, möglichst andere, nicht-chemische Verfahren zu nutzen. So wird bei einer Bekämpfung kein einseitiger Selektionsdruck ausgeübt. Im Bewertungsverfahren für PSM muss beurteilt werden, wie groß das Resistenzrisiko der betroffenen Schadorganismen ist und welche Resistenzvermeidungsstrategien möglich sind. Grundlage hierfür bilden die EU-Richtlinie 1107/2009 sowie der auch für Deutschland gültige
EPPO Standard PP 1/213, Resistance Risk Analysis.
Resistenzvermeidungsstrategien funktionieren jedoch nur, wenn die involvierten Behörden, die beratenden Institutionen und die Pflanzenschutzmittelfirmen das Vorgehen miteinander abstimmen. Daher wurden vom JKI Fachausschüsse für den deutschsprachigen Raum geschaffen, die einen Austausch von Informationen und Diskussionen zwischen allen Beteiligten ermöglichen sollen. Das Hauptziel der Fachausschüsse ist, Beratung zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln einschließlich Fragen der Resistenzbeurteilung bei der Bewertung der Mittel zu leisten.
Ziele sind:
Die Fachausschüsse setzen sich aus Fachvertretern des JKI, der Zulassungsbehörden von Pflanzenschutzmitteln, des amtlichen Pflanzenschutzdienstes der Bundesländer, der landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Beratung, der antragstellenden Firmen und aus Fachleuten zusammen, die sich aktiv mit Resistenzen beschäftigen. Informationen zu aktuellen Resistenzmanagementstrategien finden Sie hier:
Pflanzenschutzmittel sollen zwar die zu bekämpfenden Schädlinge, Krankheiten oder Unkräuter abtöten oder auf ein wirtschaftlich vertretbares Maß zurückdrängen, doch sollen sie die behandelten Kulturpflanzen oder das Erntegut nicht beeinträchtigen. Das heißt, die Pflanzen dürfen durch PSM keinen Schaden erleiden. Die Untersuchung der für die Pflanzen phytotoxischen (giftigen) Eigenschaften ist Bestandteil der Wirksamkeitsprüfungen der Pflanzenschutzmittel (Regelung über entsprechende Gesetze und internationale Standards, wie der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und der EPPO-Prüfrichtlinie zur Bewertung der Phytotoxizität 1/135.
Phytotoxische Effekte können sich beim Wachsen der Pflanzen oder der Ernte bemerkbar machen. Es kann die gesamte Pflanze oder nur Teile davon (Wurzel, Triebe, Blätter, Blüten oder Früchte) betreffen. Dabei kommt es zum Beispiel zu Farbveränderungen, Bildung von Nekrosen (d. h., dem Absterben einzelner Zellen), missgebildeten Pflanzen oder die Pflanze stirbt komplett. Umweltfaktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit oder Licht können diese Wirkungen beeinflussen.
Nachweisbar werden derartige Wirkungen beispielsweise über Kriterien, wie die Pflanzenanzahl zu einem festgelegten Zeitpunkt, zählbare sichtbare Schäden oder messbare Größen wie Höhe, Länge, Durchmesser und Gewicht von Pflanzen oder Pflanzenteilen. Weitere unerwünschte Nebenwirkungen, die im JKI überprüft werden, betreffen die Eigenschaften des Erntegutes (z. B. Einflüsse auf Geschmack oder Verhalten bei der Weiterverarbeitung). Die Auswirkungen auf nachfolgende Kulturen werden ebenso betrachtet.
Das Pflanzenschutzgesetz (§ 34) sieht bei den Prüfverfahren zur Bewertung von Wirkstoffen und Pflanzenschutzmitteln vor, dass explizit „unvertretbare Auswirkungen auf Honigbienen“ zu prüfen sind.
Jeder Wirkstoff und jedes Mittel muss auf seine Bienengefährlichkeit hin geprüft und eingestuft werden. In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und dem Umweltbundesamt (UBA) beteiligen wir uns daran, entsprechende Auflagen und Anwendungsbestimmungen für den Umgang und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln festzulegen. Ziel dabei ist, die Risiken für Honigbienen, aber auch für Hummeln und andere Wildbienenarten weitestgehend zu minimieren und so gering wie irgend möglich zu halten. Diese Arbeiten berücksichtigen gleichzeitig die Vorgaben der Bienenschutzverordnung. (siehe: Institut für Bienenschutz)
Ein weiterer wichtiger Bereich des JKI bei der Bewertung neuer Mittel oder Wirkstoffe betrifft die Auswirkungen auf Nicht-Zielorganismen.
Zu den Organismengruppen, die überprüft werden, gehören neben den Honigbienen andere Bestäuber von Pflanzen wie Hummeln oder Wildbienen. Denn viele unserer Nutzpflanzen, z. B. Äpfel, Pflaumen, Kirschen oder Raps, sind auf Bestäubung durch Insekten angewiesen.
Bei nützlichen Insekten sind es häufig die Larven, die auf natürlichem Weg Schädlinge vertilgen. Sie jagen entweder ihre Beute, wie Florfliegen oder Gallmücken (sind also Räuber), oder sie entwickeln sich an bzw. in einem Wirtstier und töten es so ab (sind in diesem Fall Parasiten). Dazu zählen u. a. zahlreiche Arten von Schlupfwespen, von denen allein in Deutschland rund 3.000 verschiedene Arten heimisch sind. Eine Massenvermehrung von Schädlingen wird häufig eingedämmt, da verschiedene Nützlinge zusammenwirken, die zu unterschiedlichen Zeiten auftreten und unterschiedlich aktiv sind. Pflanzenschutzmittel müssen deshalb auch auf ihre nützlingsschonende Wirkung hin geprüft werden.
Im Boden leben ebenfalls unzählige nützliche Organismen, z. B. Regenwürmer oder
Mikroorganismen, die Streu abbauen. Die Experten des JKI untersuchen und bewerten, ob es durch das Pflanzenschutzmittel unerwünschte Nebenwirkungen geben kann.
In der EU-Pflanzenschutz-Verordnung (EU) Nr. 1107/2009 wurde erstmals eine vergleichende Bewertung von Pflanzenschutzmitteln eingeführt, das sogenannte Substitutionsprinzip. Detailinformation dazu finden Sie hier. Damit soll erreicht werden, dass die in den Mitteln enthaltenen Stoffe, die zwar alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen, aber manche ungünstigen Eigenschaften haben, möglichst durch weniger bedenkliche alternative Stoffe ersetzt werden sollen. In anderen Rechtsbereichen wie dem Biozidrecht (REACH) ist das Substitutionsprinzip bereits etabliert.
Die Verordnung legte Kriterien für die Ersetzung von Wirkstoffen mit bestimmten Eigenschaften fest. In ihr wurde ebenfalls festgelegt, dass die EU-Kommission mit einer Durchführungsverordnung eine Liste von „Substitutionskandidaten“ veröffentlicht. Am 26./27.Januar 2015 haben die EU-Mitgliedstaaten in der Sitzung des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel dem Entwurf der EU-Kommission zugestimmt. Diese derzeitige Substitutionsliste enthält 77 Wirkstoffe (Stand August 2016).
Der Prüfbereich „Wirksamkeit“ im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel ist eine hoheitliche Aufgabe des JKI. Das JKI führt die wissenschaftliche Prüfung der Wirksamkeit von Pflanzenschutzmitteln für alle Produktions- und Anwendungsbereiche durch. Dazu gehören der Ackerbau, Obstbau, Gartenbau mit Gemüse- und Zierpflanzen, Weinanbau, Hopfenanbau, Vorratsschutz und Forst, die Anwendungen in Haus- und Kleingärten sowie auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind. Letztgenannte sind Flächen, die von vielen Personen unterschiedlichen Alters und Gesundheitszustandes genutzt werden. Hierfür wünschte der Gesetzgeber eine besondere Risikobewertung, da besondere Faktoren herrschen, denen Mensch und Tier ausgesetzt sein können (Expositionsbedingungen).
Zum Prüfbereich „Wirksamkeit“ gehört nicht nur die Bewertung der Wirksamkeit der Pflanzenschutzmittel selbst. Auch die Bewertung der Verträglichkeit für die Kulturpflanze nimmt einen großen Raum ein. Mögliche negative Effekte auf den Ertrag, die Qualität des Erntegutes und seinen Geschmack werden abgeschätzt, sowie mögliche Auswirkungen auf weiterverarbeitete Produkte. Einflüsse auf Nachbarkulturen und danach angebaute Pflanzen (Folgekulturen) sind ebenso Betrachtungsgegenstand der Risikobewertung.
Die Wissenschaftler des JKI führen eine fachlich fundierte Bewertung der Wirksamkeit eines Pflanzenschutzmittels im Rahmen eines zonalen Bewertungsverfahrens für eine Zulassung des Mittels in Deutschland durch. Das Gleiche gilt für die Bewertung der in den Pflanzenschutzmitteln enthaltenen aktiven Wirkstoffe im Rahmen eines zonalen
Genehmigungsverfahrens der EU-Wirkstoffprüfung. Informationen über den Ablauf dazu finden Sie hier.
Sie beteiligen sich darüber hinaus daran, Prüfrichtlinien zur Bewertung von Pflanzenschutzmitteln und deren Wirkstoffen zu erarbeiten und legen den Grundstein für die Harmonisierung von Standards im Prüfbereich Wirksamkeit im europäischen Raum.
Sicherzustellen, dass Versorgungslücken mit Pflanzenschutzmitteln, vor allem bei geringflächig angebauten Kulturpflanzen, erkannt und geschlossen werden, ist eine weitere wichtige Aufgabe des JKI.
Das JKI erhält vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Unterlagen des Antragstellers zur Prüfung und Bewertung. Es erstellt daraus einen Bewertungsbericht in englischer Sprache, der im Wesentlichen einer zwischen den Ländern der Europäischen Union abgestimmten Form folgt.
Für die Erledigung der behördlichen Aufgaben im Rahmen der Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln benötigt das JKI umfangreiche und teilweise einzigartige Sammlungen an Spezialinformationen. Je nach Thema stehen diese als eigenständige Internetportale zur Verfügung. Diese Portale sind teilweise für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Bei anderen handelt es sich um Experten-Portale mit speziellen Zugangsberechtigungen.
Das JKI unterhält zahlreiche Wissensportale, auf die Sie auf der Startseite zu diesem Thema und in der Infothek direkt zugreifen können. Die nachstehenden aufgelisteten betreffen im Wesentlichen den Bereich Pflanzenschutz: