Wir unterhielten uns mit Dr. Andrea Krähmer, neue Leiterin des JKI-Fachinstituts für Ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz (ÖPV)
Frau Dr. Krähmer, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Ernennung zur Institutsleiterin ÖPV, dem Institut, an dem Sie zuvor als Wissenschaftlerin tätig waren. Für die Leser/innen unseres Newsletters bitten wir Sie, kurz Ihren beruflichen Werdegang vorzustellen.
Als gebürtige Berlinerin hat es mich zu Beginn meiner wissenschaftlichen Laufbahn an die Universität nach Jena gezogen, wo damals das Studienfach „Umweltchemie“ neu angeboten wurde.
Ich habe zwar später auf Diplom-Chemie gewechselt, allerdings mit dem Schwerpunkt bio-organische Synthese, in dem Proteinkomplexe die natürlichen Vorbilder für die zu entwickelnden Katalysatoren waren. Bei meiner Promotion in der chemischen Ökologie am gleichnamigen Max-Planck-Institut in Jena stand das System Pflanze und Umwelt und besonders pflanzliche Abwehrstrategien im Fokus. Über die Entwicklung einer Methode zur Untersuchung der Veränderung von Blattoberflächen nach Verwundung bin ich dann zur Pflanzenanalytik mittels spektroskopischer Methoden gekommen. Diese Arbeiten waren 2009 der Brückenschlag zum JKI, wo am Institut ÖPV in Quedlinburg eben jenes Fachgebiet der nicht-invasiven Pflanzenanalytik nach zu besetzen war.
Zu dieser Zeit war die Spektroskopie in der Pflanzenforschung gerade erst im Kommen. Für mich ein riesen Glück und zur richtigen Zeit am richtigen Ort, da ich gern weiter an Pflanzen forschen wollte. Seit 2011 arbeite ich am Institut ÖPV in Berlin.
Sie sind bisher „mit der Wahrung der Geschäfte beauftragt“. Wann wird Ihre Berufung zur Institutsleiterin offiziell?
Ich wurde im März dem JKI-Kollegium durch unseren Präsidenten vorgestellt. Zu einer offiziellen Ernennung ist es aufgrund der Corona-Krise leider noch nicht gekommen. Das wird aber zu gegebener Zeit nachgeholt.
Wie ist es, die Leitung eines Instituts im Ausnahmezustand zu übernehmen?
Vieles ist anders. Das Institut ist wesentlich leerer. Wir müssen überlegen, wie wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, die üblicherweise im Labor oder auf dem Versuchsfeld tätig sind, aufgrund von Kinderbetreuung oder langer Anreisen mit dem Nahverkehr nun aber von zu Hause aus arbeiten. Unsere DV hat dafür schnell die nötige Infrastruktur geschaffen. Ich halte Telearbeit grundsätzlich für ein sehr nützliches Werkzeug, aber in einer Versuchseinrichtung ist das natürlich nicht für jeden möglich. Wer das schon immer mal ausprobieren wollte, stellt jetzt vielleicht fest, dass alles Vor- und Nachteile hat, und so wird sicher auch mit einigen „Vorurteilen“ diesbezüglich aufgeräumt. Wir lernen dadurch gerade viel darüber, wie wir auch nach Corona mit diesen Möglichkeiten umgehen können.
Sie sind nun erst einmal als Krisenmanagerin gefragt.
Ja. Ich hatte mit erhofft, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen über Strategisches nachdenken zu können. Das geht gerade leider nicht. Hier ist momentan viel Arbeit zur Organisation und zum Informationsaustausch nötig. Da merkt man, wie viel früher die Flurgespräche und regelmäßigen Sitzungen bewirkten.
Persönlich musste ich schnell feststellen, dass Homeschooling und Homeoffice nicht sehr gut miteinander harmonieren. Meine ersten Wochen als Leiterin bestanden daher vor allem darin, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in vergleichbarer Situation arbeitsfähige Bedingungen zu schaffen.
Ohne Corona war geplant, mit allen wissenschaftlichen Kolleginnen und Kollegen auf einer Klausurtagung die künftige Ausrichtung unseres Instituts zu diskutieren. Das muss nun auch leider erst einmal warten.
Ihr Institut besetzt sehr unterschiedliche Themen, quasi ein Gemischtwarenladen. Wollen Sie als Analytikerin die Schwerpunkte anders setzen?
Der „Gemischtwarenladen“ ist in der Historie des Instituts begründet. ÖPV ist aus ehemals vier Instituten hervorgegangen, die thematisch sehr unterschiedlich waren. Letztlich gibt es aber sehr viele Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte untereinander.
Ein großer Vorteil ist, dass die drei Fachbereiche Themen aus allen Gebieten der Pflanzenproduktion bearbeiten – von der Analytik sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe in Züchtung, Pflanzenbau und Pflanzenschutz bis zu den ökologischen Auswirkungen von Agrarchemikalien auf Böden und Kleingewässer. Die entsprechenden Mittel und Strategien im Pflanzenschutz sind sowohl in der Pflanzenanalytik als auch der Ökochemie im Fokus und finden sich in ähnlicher Form im Vorratsschutz wieder.
Ein zentrales Bindeglied ist da die Analytik, deren Erkenntnisse schlussendlich Grundlage zur Entwicklung von Handlungsempfehlungen und Maßnahmen zur Reduktion von Anwendungen im chemischen Pflanzen- und Vorratsschutz sind.
Hier gibt es aber noch viel Potential, die Fachbereiche enger zusammenzubringen und strategisch neu zu fokussieren. Das alles und zudem das Erarbeiten eines Vorschlags für einen verständlichen und selbsterklärenden Institutsnamen sind Aufgaben, die wir uns für unsere Klausurtagung vorgenommen haben.
Sie haben also schon Pläne für die nähere Zukunft Ihres Instituts?
Auf jeden Fall. Das Bedürfnis für eine inhaltliche Neufokussierung kommt sehr stark auch von den Kolleginnen und Kollegen selbst. Ein Schwerpunkt wird sicher die Bio-Ökonomie sein. Es gibt ein großes Potenzial zur Nutzung von Pflanzen, die wir noch gar nicht auf dem Schirm haben. Zum Beispiel Wildpflanzen, die sich durch bioaktive Inhaltstoffe oder eine besondere Robustheit in ihrem Ökosystem auszeichnen und womöglich im Sinne des biobasierten Pflanzenschutzes interessant sein könnten.
Daneben stellt sich die Frage nach der Zukunft bisheriger Bereiche wie z. B. der Rückstandsanalytik. Es gibt die gesellschaftliche Bestrebung weg vom chemischen Pflanzenschutz. Auf wieviel können wir dort verzichten, was brauchen wir als Backup und wo werden trotz allem Anwendungen nötig bleiben? Welche Alternativen kann der biobasierte Pflanzenschutz bieten? Was bringen die Biostimulantien? Sicher werden sich die Mittel und ihre Anwendungen ändern, aber auch der Einsatz biologischer oder biobasierter Mittel wird um eine ökochemische und ökotoxikologische Betrachtung nicht umhinkommen.
Gibt es bereits konkrete Ideen dazu?
Von Seiten der Kolleginnen und Kollegen gibt den Wunsch, künftig einen stärkeren Fokus auf systemare Auswirkungen zu richten. ÖPV ist nicht ohne Grund der JKI-Säule „Agrarökosysteme“ zugeordnet. Zu diesem Bereich gehören Institute, die eine stärkere gesamtheitliche Betrachtung auf den Acker und seine Bewirtschaftung haben.
Wir haben in den letzten Jahren eine Arbeitsgruppe zu den Kleingewässern in der Agrarlandschaft aufgebaut. Da ergeben sich neue Fragen zur Interaktion dieser Biotope mit der sie umgebenden Ackerfläche. Lassen sich aus den Schutzmaßnahmen für die Kleingewässer auch messbare positive Effekte auf die Kulturpflanzen auf dem umgebenden Feld erzielen? Können Blühstreifen und Heckensäume nicht nur als Ausweichräume für Insekten, sondern auch als Quelle für Nützlinge und phyto-protektive Duftstoffe, zur Verbesserung der Bodenmikroflora oder sogar dem Management anthropogener Stoffe (Pflanzenschutzmittel, Schwermetalle, Mikroplastik…) dienen?
In ein paar Jahren hat das Institut also einen neuen Namen und ein neues Forschungsprofil?
Das wäre ein großer Wunsch, wobei das Konzept an erster Stelle steht. Der Name ist zweitranging. Wichtig innerhalb und außerhalb des JKI ist es, dass ÖPV zukünftig noch stärker als der Kooperationspartner mit einer breiten analytischen Kompetenz entlang der pflanzenbaulichen Produktion wahrgenommen wird.
Der Analytik kommt eine Schlüsselrolle zu, ob ich nun das Metabolom der Pflanze in Hinsicht auf Resistenzen und Züchtungserfolg untersuche oder Semiochemikalien von Pflanzen und Insekten erforsche und damit Prinzipien des biologischen / biobasierten Pflanzen- und Vorratsschutzes. Das macht unseren Arbeitsalltag so spannend, aber auch die Interaktion mit den Experten aus Züchtung, Pflanzenschutz und Pflanzenbau unabdingbar.
Liebe Frau Krähmer, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen viel Erfolg am JKI.
(Das Gespräch führte Johannes Kaufmann, Pressereferent am JKI)