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Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau

Der Feuerbrand schlägt auch nach 50 Jahren in Obstanlagen immer wieder zu

Gefürchtete Bakterienkrankheit hält Forschungsteam des JKI-Instituts für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau „auf Trab“

Es kam als blinder Passagier aus den USA nach Norddeutschland. Das ist 50 Jahre her. Es ist tückisch. Bereits 10 Jahre später überall in Deutschland verbreitet, taucht es bis heute in manchen Jahren scheinbar plötzlich auf und richtet enorme Schäden in Obstanlagen an, vor allem an Äpfeln und Birnen. Dann verschwindet es wieder für ein, zwei Jahre, um erneut zuzuschlagen. Trotz vieler schlauer Köpfe ist es ihm bisher gelungen, einige seiner Geheimnisse für sich zu behalten.

Sein Name: Feuerbrand (Erwinia amylovora) – ein Bakterium, das inzwischen in ganz Europa verbreitet ist. Es fordert Forscher wie auch Obstbauern, Pflanzenschützer und Behörden bis heute.

Das Fatale/Problem: Haupteintrittsweg des Bakteriums ist die Blüte, so dass fleißige Bestäuber im Frühjahr für eine rasante Ausbreitung sorgen können. Eine Bekämpfung über die Anwendung mit den stärksten Waffen, die uns gegen Bakterien zur Verfügung stehen, Antibiotika, ist schon lange nicht mehr im Sinne der Pflanzenschutzpolitik Deutschlands bzw. der EU. Schonendere Verfahren werden gesucht.

Erste Versuche und Freilandversuchsanlage Kirschgartshausen

Das Dossenheimer Institut und hier ZELLER begann sofort nach dem ersten Auftreten gemeinsam mit dem Pflanzenschutzdienst Schleswig-Holstein zu untersuchen, welche hiesigen Apfel-, Birnen- und Zierpflanzensorten besonders leicht befallen werden bzw. betroffen sind. Nach einer ersten Infektionswelle in den 1980er Jahren, in der immer wieder ganze Obstanlagen gerodet und verbrannt werden mussten, stand die Frage im Raum, wo gezielte Versuche mit dem gefährlichen Feuerbranderreger möglich sind.

Für die damalige BBA ein „Glücksfall“ war, dass sie in Mannheim-Kirschgartshausen eine speziell für solche Feuerbrandbekämpfungsversuche ausgelegte Versuchsfläche anlegen konnte. Umgeben von Ackerbauflächen können weder Infektionen ein- noch ausgetragen werden. So finden hier, seit 1986,   unter sogenannten Worst-Case-Bedingungen im Freiland, Versuche mit exakt definierten Erregergemischen statt - in fruchtbarer Zusammenarbeit mit den Landesbehörden. Die wie in einer Junganlage aufgepflanzten Versuchsbäume werden nur ein einziges Mal für einen Versuch genutzt und dann gerodet. Dieser aufwändige Aufbau, der möglichst eng an die Praxis angelehnt ist, liefert dennoch reproduzierbare Versuchsbedingungen. Im Fokus der Versuche stehen umweltschonende Mittel und Gegenspieler, die den Feuerbranderreger hemmen können. Auch robuste Kernobstzüchtungen und mögliche Resistenzquellen werden in enger Zusammenarbeit mit JKI-Schwesterinstituten in der Freilandanlage untersucht.

Schadpotenzial

Wie der Feuerbranderreger die Bäume infiziert, erkannten Wissenschaftler schon früh (siehe Eckdaten). Jedoch kommt es immer wieder zu Epidemien, die enormen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Die dann notwendigen Rodungen ganzer Obstanlagen haben in den Jahren 1993, 1995 und 1996, aber auch 2007 deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt. Darüber hinaus treten immer wieder schwere, lokal begrenzte Befallsherde in einzelnen Anlagen oder Regionen auf.

Maßnahmen und Strategien zur Bekämpfung des Feuerbrands

Mit der Feuerbrandverordnung von 1985 galt eine Meldepflicht für jeden Feuerbrandbefall, um die Durchführung von strikten Maßnahmen zur Eindämmung steuern zu können. Der Erfolg war leider nicht zufriedenstellend, da zu viele anfällige Wildgehölze wie der Weißdorn dem Bakterium immer wieder ein Versteck boten. Zusätzliche Regelungen für ein Leben mit dem Feuerbrand mussten her.

Ein in der Fachgruppe Feuerbrand breit angelegter Diskurs mit Behörden, Verbänden des Obstbaus, des Umwelt- und Naturschutzes, Imkern, Forschern und weiteren Entscheidungsträgern führte 2003 zu einer ersten „Strategie zur Bekämpfung des Feuerbranderregers im Obstbau ohne Antibiotika“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums, die auf 5 Jahre ausgelegt war. Das maßgeblich beteiligte JKI (bzw. die damalige BBA in Dossenheim) und hier JELKMANN koordinierte und organisierte dabei Fachgespräche und Arbeitssitzungen, erstellte Berichte zur Situation in den Ländern, um sich zu der aktuellen Situation auszutauschen, auch länderübergreifend Strategien und Erfahrungen bei der Bekämpfung darzustellen und zu bewerten. So zum Beispiel 1991 als wissenschaftliche Tagung, oder in 2001 und in 2007 als Fachgespräch mit Experten aus dem konventionell integrierten und ökologischen Erwerbsobstbau, den Dienststellen des Pflanzenschutzes, den Zulassungsbehörden für Pflanzenschutzmitteln und den Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Italien, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz. Eine eigene Webseite „Feuerbrand“ bündelte alle gewonnenen Erkenntnisse für die Öffentlichkeit.

In diesen Zeitraum fällt, dass Pflanzenschutzmittel, die Antibiotika enthalten, nicht in den Anhang I der EU-Richtlinie 91/414 aufgenommen wurde, d.h. nicht mehr verwendet werden durften. Lediglich ein Antrag auf „Gefahr im Verzug“ war möglich. Trotz verschiedener inzwischen praktizierten vorbeugender Maßnahmen trat der Erreger 2007 mit voller Wucht wieder auf, so dass – mangels Alternativen – eine überarbeitete Strategie unter federführender Mitarbeit des JKI (bzw. bis Ende 2007 der BBA) für weitere fünf Jahre ihre Fortsetzung fand.

Bis Ende 2019 galt das Feuerbrand-Bakterium als Quarantäneschaderreger, d.h. jedes Vorkommen musste gemeldet und entsprechende Maßnahmen wie Rodung eingeleitet werden. Das seitdem gültige neue Pflanzenschutzrecht der EU definiert das Bakterium als sogenannten RNQP, einen „Unionsgeregelten Nicht-Quarantäneschädling“. Damit passte man EU-Recht an internationale Standards an und ermöglichte den Mitgliedstaaten, situationsangepasste Maßnahmenkataloge anstelle strikter einheitlicher Quarantänevorschriften auszuarbeiten. In Deutschland ist die Anwendung von antibiotikahaltigen Pflanzenschutzmittel seit 2013 nicht mehr erlaubt und nur wenige andere Mittel zugelassen. Für einen nachhaltigen Pflanzenschutz sind weitere Alternativen dringend gesucht.

Die Suche nach natürlichen Antagonisten

Das Dossenheimer Institut forscht im Sinne eines nachhaltigen Pflanzenschutzes seit mehr als 15 Jahren intensiv daran, Gegenspieler (Antagonisten) des Feuerbrand-Bakteriums aufzuspüren, die das Bakterium ähnlich gut in Schach halten wie ein Antibiotikum (GEIDER, WENSING).

Versuche mit Hefestämmen der Art Candida sake waren teilweise erfolgreich, führten aber unerwünschten Nebeneffekten an der Pflanze wie erhöhte Berostung der Früchte. Zudem sind sie nicht immer mit der ebenfalls notwendigen Bekämpfung von Schadpilzen, wie dem Apfelschorf, verträglich. Der Fokus der Dossenheimer Forschung liegt daher heute auf Bakterien. Diese müssen sehr spezielle bzw. besondere Eigenschaften besitzen und „besser“ bzw. früher als das Feuerbrandbakterium in der Lage sein, die Apfelblüten zu „besetzen“, so dass „kein Platz mehr ist“ für den Feuerbranderreger. Aktuell scheint dafür Erwinia tasmaniensis ein aussichtsreicher Kandidat zu sein.

Australische Kollegen fragten nach einem Feuerbrandausbruch im bis dato befallsfreien Australien die Expertise von Geider (damals Universität Heidelberg) in der Feuerbranddiagnostik an. Dieser suchte vor Ort nach besonders effektiven Gegenspielern. Er wurde fündig und isolierte 1999 in Tasmanien ein Bakterium mit vielen Ähnlichkeiten zum Feuerbranderreger, den späteren E. tasmaniensis. Seine taxonomischen Arbeiten zu dieser von ihm neu beschriebenen Bakterienart bestätigten die Zugehörigkeit zur Bakteriengattung des Feuerbranderregers. Trotz der sehr nahen Verwandtschaft ist dieses Bakterium für Pflanzen unschädlich. Das Wissen, das eng verwandte Bakterien auf Grund ihrer Ähnlichkeiten untereinander oft besonders stark um Lebensraum und Nährstoffe konkurrieren, machte den inzwischen auch in Deutschland nachgewiesenen E. tasmaniensis zu einem heißen Kandidaten für die Feuerbrandbekämpfung.

Inzwischen erarbeitete Frau WENSING mit Partnern weitere Informationen zu E. tasmaniensis, die das Verständnis für diesen Antagonisten verbessern. Über eine Reihe von Nachweistechniken lässt sich die Ausbreitung des Bakteriums selbst nach der Anwendung im Freiland verfolgen. Sie entdeckten, dass es Bakteriophagen – bakterienbefallende Viren – tragen kann, die eine hohe Ähnlichkeit mit denen des Feuerbrands haben – eventuell ein weiterer Ansatz für eine biologische Kontrolle. Unter bestimmten Bedingungen produziert der Antagonist das Bakteriozin „Tasmancin“ und einen auch als Chemotherapeutikum eingesetzten Antimetaboliten (6-Thioguanine). Warum, ist noch unklar, ebenso wie das komplexe Zusammenspiel zwischen ihm, dem Feuerbranderreger und den Wirtspflanzen.

Bei seinen Forschung zu den notwendigen Grundlagen für eine langfristig sichere Anwendung biologischer Gegenspieler profitiert das Institut besonders davon, dass mit der Freilandversuchsanlage stets ein direkter Praxisbezug gegeben ist. Umgekehrt bestünde ohne die molekular ausgerichtete Forschung im Labor wenig Hoffnung, die Praxisanwendung von E. tasmaniensis einmal so zuverlässig zu gestalten, dass dauerhaft Wirkungsgrade von mehr als 80% erreicht werden können, wie im diesjährigen Freilandversuch.

Um weitere praxisrelevante Grundlagenforschung geht es in der Zusammenarbeit WENSING´s mit Kolleginnen und Kollegen der JKI-Institute in Dresden und Quedlinburg. Gemeinsam versuchen sie, neue Erkenntnisse aus der Interaktion zwischen dem natürlichen Abwehrsystem von Wildapfelarten und dem Angriffsarsenal des Feuerbranderregers zu gewinnen, die für die Züchtung resistenter Apfelsorten nutzbar sind. Ob bestimmte Wildarten oder Züchtungen in der Praxis tatsächlich das halten, was sie im Gewächshaus versprechen, dafür steht die Kirschgartshausener Freilandversuchsanlage zur Verfügung.

Das Fazit nach 50 Jahren Forschung

Auch wenn, wie im Falle des Feuerbrands, eine schnelle, sichere, und gleichzeitig ökologisch vertretbare Lösung bisher nicht gefunden werden konnte, ist es im Sinne eines nachhaltigen und umweltschonenden Anbaus, dass antibiotikahaltige Mittel beim Anbau von Pflanzen nichts zu suchen haben. Das Institut und das JKI mit seiner vorhandenen langjährigen Expertise und guten Vernetzung mit Partnern europa- und weltweit trägt wesentlich dazu bei, auch die letzten Geheimnisse des Feuerbranderregers zu lüften.

Eckdaten zum Feuerbrand

Wirtspflanzen: wirtschaftlich wichtig die Kernobstart Apfel, aber auch Birnen und weitere Pflanzen aus der Familie der Rosengewächse

Hauptinfektionsweg: über die Blüte. Weiterhin über Triebe oder über Wunden.

Überwinterung: dort, wo im Vorjahr der Befall war. Im Frühjahr Austreten von Bakterienschleim, der durch Insekten, Regen und Wind (oder Mensch mit Werkzeugen) verbreitet wird.  

Befall: nicht regelmäßig, von zahlreichen Faktoren abhängig wie Witterung bei Blüten, Alter der Pflanze, Sorte u. a..

Schäden: Bakterium vermehrt sich in den Leitbündeln (= wasserführende Schicht (Xylem)); befallene Triebe vertrocknen; das infizierte Gewebe sieht wie verbrannt aus und stirbt ab. Bei starkem Befall Rodung der Bäume oder ganzer Obstanlagen und Verbrennen des Holzes.

Potenzielle Befallsfläche Kernobstanbau: Ca. 40.000 ha Kernobst in Deutschland. Baden-Württemberg mit ca. 13.500 ha Apfel- und Birnenanlagen aufgrund wärmeren Klimabedingungen besonders betroffen. Streuobst: enormer Befall möglich, da kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (starkes Befallsjahr 2000).