Die Geschichte der Menschheit ist nicht nur eine Geschichte der Urbarmachung und Kultivierung von Pflanzen und Tieren, sondern auch die Geschichte von Arten, die aus anderen Gebieten eingeführt wurden. Gerade, wenn es sich um essbare Pflanzen handelte, bestand ein großes Interesse daran, diese auch in anderen Gegenden anbauen zu können. Die Ursprünge unseres Weizens liegen in Mesopotamien, die Vorfahren unserer Äpfel stammen aus Mittelasien und die Entdeckung der „Neuen Welt“ brachte Kartoffeln, Tomaten und Mais auf unsere Felder und die Früchte auf unseren Tisch. Gebietsfremde Pflanzen bilden - so gesehen – eine wichtige Grundlage für unsere heutigen Kulturpflanzen. Gebietsfremde Arten sind also nicht per se schlecht. Ungeeignetes Klima oder ungeeigneter Boden schoben in der Vergangenheit der Ausbreitung vieler fremder Pflanzen einen natürlichen Riegel vor. Es gibt jedoch auch unschöne Geschichten von der Verdrängung heimischer Arten bis hin zu deren Ausrottung.
Allerdings beginnt manch (ungewollte) Verbreitung von Krankheitserregern oder Schädlingen mit transportierten Gütern pflanzlicher oder tierischer Natur. Sind die klimatischen Bedingungen ähnlich wie in ihrer Heimat, können es fremde Arten bei uns schaffen, Fuß zu fassen. Haben sie keine natürlichen Feinde oder sind sie besonders konkurrenzstark, können sie sich rasch vermehren und ausbreiten.
Am Julius Kühn-Institut konzentrieren wir uns auf solche Arten (Mikroorganismen, Insekten, Nematoden u. a.), die an den Kulturpflanzen großen Schaden anrichten können und/oder heimische Ökosysteme gefährden. Das JKI erstellt zu vielen dieser Arten allgemeinverständliche Faltblätter, um die Fachwelt und die Bevölkerung in Wort und Bild über die unerwünschten Neulinge aufzuklären. Einen guten Überblick zu gebietsfremden Arten (Neobiota) bietet die Webseite des Bundesamtes für Naturschutz https://neobiota.bfn.de/.
Gebietsfremde Tiere werden als Neozoen bezeichnet. Prominente Beispiele sind Waschbären oder die Varroamilbe, die Honigbienen schädigt. Neophyten sind per Definition Pflanzen, die mit direkter Hilfe oder indirekt durch den Menschen in ein Gebiet gelangt sind, in dem sie natürlicherweise nicht vorkamen. Als Stichtag für die Verwendung dieses Begriffs gilt die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus. Beispielhaft wären die Kanadische Goldrute oder diverse Springkräuter zu nennen. Pflanzen, die vor 1492 eingeführt wurden, bezeichnen Fachleute als Archäophyten. Dazu zählen zum Beispiel Walnüsse oder die Pfefferminze.
Streng genommen sind Kartoffeln, Tomaten oder Paprika ebenfalls Neophyten. Sie tauchen in den entsprechenden Listen jedoch nicht auf, da diese sich meist auf Wildarten fokussieren und die kultivierten Vertreter sich i.d.R. nicht unkontrolliert ausbreiten. In Deutschland werden aktuell 328 (laut BfN 433 Gefäßpflanzen) neophytische Pflanzenarten als fest eingebürgert gezählt. Anders als bei Tieren oder Mikroorganismen sind bei Pflanzen genaue Zahlen bekannt. Das liegt u. a. daran, dass viele dieser Arten vor allem zur Zeit der Entdeckungsreisen in alle Welt bewusst verbracht wurden, um sie in Botanischen Gärten und öffentlichen oder privaten Sammlungen zu kultivieren oder züchterisch weiter zu bearbeiten. Herbarien und bebilderte taxonomische Kompendien dokumentieren, wann oder von wem die Pflanzen eingeführt wurden.
Viele dieser Pflanzenarten halten wir heute nicht mehr für „fremd“, da sie sich, ohne Schaden anzurichten, in unsere heimische Natur- und Kulturlandschaft integriert haben und unter Umständen sogar die Artenvielfalt bereichern können. Das trifft besonders auf Bäume, Gehölze und Zierpflanzen zu.
Der Begriff „invasive Art“ kommt aus dem Naturschutzbereich. Er bezeichnet diejenigen gebietsfremden Arten, die starke unerwünschte Auswirkungen auf andere Arten, Lebensgemeinschaften oder Biotope haben. So treten invasive Arten z. B. mit einheimischen Arten in Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen und verdrängen diese. Außerhalb des Naturschutzes werden gebietsfremde Arten oftmals als invasiv bezeichnet, wenn sie ökonomische Probleme verursachen, etwa das Unkraut Cyperus esculentus, die Erdmandel, oder der Japanische Staudenknöterisch, Fallopia japonica, der nur schwer bekämpfbar ist. Auch Pflanzen, die gesundheitliche Probleme verursachen, wie der Riesen-Bärenklau, Hercaleum mantegazzianum, dessen Pflanzensaft Verbrennungen verursacht, bekommen den Stempel „invasiv“. Insgesamt zählen rund 10 % aller Neophyten, d. h. derzeit rund 40 Arten, zu den invasiven Pflanzen.
Ein aktuelles Beispiel für einen invasiven Schädling ist die Kirschessigfliege, Drosophila suzukii. In Asien beheimatet, hat sie sich in kürzester Zeit massiv in vielen Ländern Europa ausgebreitet. In Deutschland wurde sie erstmals im Jahr 2011 gesichtet. Sie konnte im Jahr 2014 bereits in allen Bundesländern nachgewiesen (außer Bremen). Die wirtschaftlichen Schäden in vielen Obstkulturen, teilweise auch im Wein, sind enorm. Ein eigenes Wissensportal informiert über die aktuellen Forschungen und Entwicklungen zur nachhaltigen Bekämpfung der winzigen Fliege (mehr dazu im Wissensportal Drosophila suzukii - Kirschessigfliege).
Unter Quarantäne werden Schaderreger (Krankheiten und tierische Schädlinge) gestellt, die potentiell starke Schäden an bestimmten Pflanzen in einem Gebiet hervorrufen können, in dem sie zuvor noch nicht aufgetreten oder weit verbreitet sind. Für diese Erreger besteht eine Meldepflicht, wenn sie gefunden werden. Sie unterliegen dann amtlichen Überwachungs- und Bekämpfungsmaßnahmen. Diese werden heute in der Europäischen Union über Richtlinien und Verordnungen festgelegt und in nationale Konzepte umgesetzt. Viele Quarantäneschadorganismen bedrohen nicht nur die Pflanzen direkt, sondern auch die biologische Vielfalt insgesamt.
Bei Quarantäneschaderregern handelt es sich immer um invasive Arten, aber nicht alle invasiven Arten sind zugleich auch Quarantäneschaderreger. So musste beispielsweise der Westliche Maiswurzelbohrer, ein im Zuge des Balkankrieges in den 1990er Jahren aus Nordamerika nach Europa eingeschleppter Käfer, bis 2014 als Quarantäneschaderreger bekämpft werden. Dieser Status wurde aufgehoben, als die Verbreitung des Käfers in bestimmten Bundesländern zu rasch voranschritt und eine Ausrottung nicht mehr möglich war. Nun wird er als invasiver Schädling im Rahmen des Pflanzenschutzes bekämpft, d.h., es gilt das nationale Pflanzenschutzrecht und nicht mehr eine EU-Richtlinie zu meldepflichtigen Quarantäneschaderregern.
Aktuelle Quarantänesschaderreger finden Sie im Wissensportal „Pflanzengesundheit“.