Biologische Pflanzenschutzverfahren basieren auf den natürlichen Gegenspielern von Schädlingen und Krankheitserregern. Das können Viren oder Bakterien sein, Pilze, Milben, Fadenwürmer (Nematoden) oder Insekten. Auch natürliche Stoffe wie Extrakte aus bestimmen Pflanzen können Schaderreger bekämpfen, sie abwehren (Repellent) bzw. die Abwehrkräfte der Pflanze gegen die Schaderreger stärken. Der integrierte Pflanzenschutz setzt verstärkt darauf, dass biologische bzw. physikalische und andere alternative Maßnahmen des Pflanzenschutzes angewendet werden; ein besonderes Interesse hat auch der Ökolandbau.
Im JKI (bzw. seiner Vorgängereinrichtung BBA) ist seit mehr als 60 Jahren das einzige Fachinstitut für biologischen Pflanzenschutz in Deutschland angesiedelt. Hier werden biologische Pflanzenschutzverfahren erforscht und bewertet. An dieser Stelle soll nur kurz auf die verschiedenen Möglichkeiten des biologischen Pflanzenschutzes eingegangen werden. Weitere Informationen finden Sie direkt bei diesem Institut. Das JKI publiziert mit dem in unregelmäßigen Abständen erscheinenden „Statusbericht Biologischer Pflanzenschutz“ eine umfassende Zusammenstellung zum Stand des biologischen Pflanzenschutzes in Deutschland.
Derzeit beteiligt sich das JKI mit zahlreichen Partnern beispielsweise an einem EU-Projekt, das gezielt biologische Pflanzenschutzmittel gegen wichtige Schädlinge und Pilzkrankheiten zur Praxisreife bringen soll. Diese sollen chemische Mittel ersetzen. Das JKI entwickelt im Projekt Methoden, um die aus Viren, Bakterien oder Pilzen bestehenden natürlichen Wirkstoffe zu testen.
Menschen brauchen keine Angst davor zu haben, aber für Insekten sind sie tödlich: Die Rede ist von ganz speziellen Viren, die sehr bestimmte Insekten befallen und abtöten können. Diese Viren besitzen den ökologischen Vorteil, dass sie nur gegen sehr wenige bzw. nur einen Schädling wirken und sie rasch abgebaut bzw. inaktiv werden.
Sie werden heute als „Wirkstoffe“ für wirtschaftlich wichtige biologische Pflanzenschutzmittel genutzt. Allen voran das Apfelwickler-Granulovirus (Cp-GV), das den Befall des Apfels mit der „Made“, dem Apfelwickler, verhindert. Dieses biologische Mittel wird allein in Deutschland auf mehr als 10.000 ha Fläche eingesetzt. Die Apfelbäume werden im Frühjahr behandelt, wenn die Larven noch recht jung und klein sind. Sie haben sich dann noch nicht in den Apfel eingebohrt. Auch im Forst ist das Potenzial, Insektenviren zu nutzen, sehr groß.
Allerdings zeigte sich in den vergangenen Jahren, dass – ähnlich wie bei chemischen Mitteln - die Wirkung der Virusmittel nachlassen kann, wenn es zu häufig hintereinander angewendet wird bzw. andere Faktoren zu einer Resistenz führen.
Für den Gebrauch im Haus- und Kleingarten bekannt sind Mittel, die das Bakterium
Bacillus thuringiensis als Wirkstoff besitzen. Dieses Bakterium wurde vor gut 100 Jahren in einer Mühle in Thüringen entdeckt. Heute kennt man verschiedene B.t.-Präparate. So wird B.t.kurstaki gegen Schmetterlingslarven und B.t.tenebrionis (B.t.t.) gegen Kartoffelkäfer eingesetzt. Das Bakterium B.t.t. wurde am JKI von Dr. Alois M. Huger entdeckt und erforscht uns stellt einen wichtigen Schritt im biologischen Pflanzenschutz dar (Krieg, A., Huger, A. M., Langenbruch, G. A., & Schnetter, W. (1983). Bacillus thuringiensis var. tenebrionis, a new pathotype effective against larvae of Coleoptera. Z. Angew. Entomol., 96(5), 500-508).
Bestimmte Pilze können vor allem im Boden lebende Schadorganismen befallen. Das JKI untersuchte zum Beispiel in Süddeutschland, ob Maikäferlarven mit dem Pilz Beauveria bekämpft werden können. Vor allem für den Ökolandbau ist derzeit eine wichtige Frage, wie Erreger bekämpft werden können, die mit dem Saatgut übertragen werden.
Zu den Naturstoffen zählen vor allem Extrakte von Pflanzen. Von Vorteil bei diesen Stoffen ist, dass sie gut abgebaut werden und Rückstände auf oder in den Pflanzen daher nicht zu erwarten sind. Ihre Wirkung ist sehr unterschiedlich. Manche wirken direkt, andere aktivieren Abwehrkräfte in den Pflanzen, wiederum andere haben einen insektenabweisenden sog. Repellent-Effekt. Daher müssen unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an der Wirkung der beteiligten Inhaltsstoffe forschen, den jeweils zugrunde liegenden Wirkmechanismus herausfinden. Nur so können Naturstoffe gezielt und effektiv eingesetzt werden.
Beispielsweise wird am JKI mit Extrakten aus Süßholz gearbeitet. Bereits seit Jahren erfolgreich gegen Mehltaupilze ist ein Extrakt aus dem Staudenknöterich, dessen Wirkungen am JKI-Fachinstitut für Biologischen Pflanzenschutz erforscht wurde.
Mineralien zählen ebenfalls zu den Naturstoffen. Hier stehen Untersuchungen zur Reduzierung der Verwendung von Kupfer im Vordergrund.
Bei „Nützlingen“ handelt es sich meist um Insekten oder Spinnentiere (z. B. Milben). Sie sind für uns Menschen nützlich, da sie schädliche Insekten fressen, aussaugen oder parasitieren und damit abtöten. Die Definition ist nicht immer ganz eindeutig. So zählen
z. B. Ohrwürmer an Apfelbäumen zu den nützlichen Insekten, für die gezielt Verstecke in Obstanlagen in Form von umgedrehten Blumentöpfen eingerichtet werden. Auf der anderen Seite können zu viele Tiere auch an den Äpfeln schaben, so dass sie nicht mehr vermarktet werden können. Zu den natürlich vorkommenden Nützlingen in Deutschland zählen Laufkäfer, Marienkäfer, Florfliegen, Schwebfliegen, Raubwanzen, Gallmücken, aber vor allem mehr als 3.000 verschiedene Schlupfwespenarten allein in Deutschland.
Nützlinge werden vor allem im Gewächshaus oder in Gebäuden eingesetzt. Ein Großteil der in Deutschland in Gewächshäusern angebauten Tomaten, Paprika oder Gurken werden durch Nützlinge vor Schädlingen geschützt. Dahinter steckt eine inzwischen mehr als 30-jährige Entwicklung, vor allem im Unterglasanbau. Hier können Nützlinge nicht leicht abwandern und die optimalen Temperatur- und Feuchtebedingungen lassen sich leicht einstellen. Ihr Einsatz ist besonders wichtig, da es wenig zugelassene Mittel für die Bekämpfung von Schädlingen in kleinen Kulturen (siehe Punkt „Lückenindikation“) gibt. Zudem treten gegen diese bereits Resistenzen auf. In Deutschland sind ca. 70 verschiedene Gegenspieler im Handel erhältlich. Dabei handelt es sich meist um Insekten, aber auch Raubmilben und Fadenwürmer.
Im Freiland werden jährlich auf mehr als 20.000 ha Mais Trichogramma-Schlupfwespen gegen den Maiszünsler erfolgreich eingesetzt. Bei den Schlupfwesen handelt es sich um winzige, ein bis zwei Millimeter kleine, als Parasiten lebende Insekten. Die Landwirte erhalten für den höheren Aufwand bei der Ausbringung eine Entschädigung (Baden-Württemberg).
Am JKI suchen wir ständig nach weiteren vielversprechenden natürlichen Gegenspielern. Sie stellen bei neuen oder resistenten Schädlingen oft die einzige Alternative zur Eindämmung der Schäden dar. Buchsbaumzünsler, Kastanienminiermotte oder die sich in kürzester Zeit invasiv ausgebreitete Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) stehen derzeit auf dem Arbeitsprogramm.
Weibchen von Nachtschmetterlingen können zahlreiche Männchen über Kilometer hinweg anlocken. Sie senden dabei ihre Sexuallockstoffe (Pheromone) aus, auf die die Männchen reagieren. An derartigen chemischen Botenstoffen, auch als Infochemikalien bezeichnet, ist das JKI bei seinen Forschungen an natürlichen Pflanzenschutzverfahren sehr interessiert. Sexuallockstoffe werden seit Jahrzehnten im Weinbau bei der sogenannten Verwirrtechnik angewendet. Dabei hängt der Winzer kleine Dispenser mit synthetisch hergestellten weiblichen Pheromonen des Traubenwicklers in die Weinberge. Die Männchen werden angelockt; sie sind „verwirrt“ und finden kaum ein Weibchen. Die Weibchen legen dann nur unbefruchtete Eier ab – die Bekämpfung ist gelungen. Beim Borkenkäfer befinden sich in den Fallen Pheromone, die die Käfer anlocken. Sie dienen dem Massenfang.
Neben Pheromonen, die innerhalb einer Art wirken, gibt es andere Botenstoffe, mit denen verschiedene Arten miteinander kommunizieren (sog. Allelochemikalien). Ein Schwerpunkt unserer Forschungen ist, chemische Stoffe aufzuspüren, die für die Kommunikation zwischen schädlichen und nützlichen Organismen (Mikroorganismen und Insekten) im Obst-und Weinbau und den von ihnen befallenen Kulturpflanzen (Äpfel, Pflaumen etc.) eine Rolle spielen. Wir gehen der Frage nach, mit welchen Stoffen sich Pflanzen gegen ihre Fressfeinde wehren. Und welche Stoffe anlockend oder abschreckend wirken.
Ein Beispiel: Der Sommerapfelblattsauger, Cacopsylla picta, überträgt beim Saugen an Apfelblättern zellwandlose Bakterien (sog. Phytoplasmen), die die Apfeltriebsucht verursachen. Infizierte Bäume senden einen Geruch aus, der die Blattsauger anlockt. Wir konnten am JKI diesen Lockstoff identifizieren, der für beide Geschlechter des Blattsaugers in hohen Konzentrationen attraktiver ist als der natürliche Duft der Bäume. Unser Ziel ist, daraus Lockstofffallen zu entwickeln, die eine Überwachung oder einen Massenfang der Blattsauger ermöglichen.