Zu Beginn der Pflanzenzüchtung, mit dem Sesshaft-Werden der Menschen, wurden aus der bestehenden Vielfalt bestimmte Pflanzen ausgelesen. Später kombinierte man die gewünschten Eigenschaften durch Kreuzung. Es entstanden mehr oder weniger durch Zufall verbesserte Sorten.
Dabei ging es lange Zeit um größere, schmackhaftere Früchte oder ertragreichere Ähren. Heute ist der Züchtungsprozess gezielter. Außerdem werden Pflanzen nicht nur für die Ernährung gezüchtet, sondern auch für andere Verwendungszwecke: So zum Beispiel eine Kartoffel zur Stärkegewinnung, bestimmte Futtererbsen zur Tierernährung oder Gräser für Biogasanlagen. Das heutige Wissen über die genetische Ausstattung der Pflanzen hilft, gezielter nach interessanten Genen zu suchen, die neuen Sorten die gewünschten Eigenschaften verleihen könnten.
Das Genom der Reispflanze ist aufgeklärt, am Weizen- und Roggengenom wird fieberhaft gearbeitet. Dennoch - verglichen mit der Aufklärung des Genoms beim Menschen - steht die Forschung im Bereich der Pflanzen, speziell der Kulturpflanzen, noch am Anfang. Deshalb engagiert sich das JKI besonders im Bereich des Pre-Breedings, also der Forschung, die der Sortenzüchtung vorgelagert ist. Es gilt, die Funktion von Genen aufzuklären sowie ihre Vererbungsmechanismen zu verstehen. Es müssen Werkzeuge entwickelt werden, um die Gene rasch in Pflanzen verschiedener Herkunft nachzuweisen. Die kommerziellen Züchtungsunternehmen, die neue Kartoffelsorten, Weizensorten etc. auf den Markt bringen wollen, sind auf diese grundlegenden Erkenntnisse angewiesen. Die JKI-Züchtungsforscher kommunizieren ihre Ergebnisse in internationalen Fachzeitschriften und geben entsprechende Zuchtlinien an die Züchtungsunternehmen weiter. Diese entwickeln daraus neue Sorten.
Die Präzisionszucht oder das so genannte Smart breeding ist eine Weiterentwicklung der klassischen Kreuzungszucht. Das JKI ist hier an vorderster Front tätig. Bei der Auswahl der Kreuzungspartner wird nicht mehr nur auf äußere Merkmale geachtet, sondern das Erbgut wird vorab genau analysiert, um die passenden Partner zu finden. Oft lassen sich interessante Wildformen, die Resistenzgene in sich tragen, nicht mehr mit den Hochleistungssorten kreuzen. Hier muss im Reagenzglas nachgeholfen werden. Dazu müssen Methoden entwickelt, adaptiert und etabliert werden. Da hier der Gesetzgeber spezielle Sicherheitsanforderungen stellt, gibt es am JKI ein eigenes Institut, das sich mit der Bewertung der biotechnologischen Züchtungsmethoden befasst.
Damit Reisende wissen, ob sie auf dem richtigen Weg sind, werden Hinweisschilder mit Ortsnamen aufgestellt. Ähnlich gehen die JKI-Züchtungsforscher vor, wenn sie sich im Pflanzengenom orientieren wollen. Um sich rascher im Erbgut von Roggen, Weizen, Kartoffel und Co. zurechtzufinden, wird nach Gen-Markern gesucht. So nennt man die Ortsschilder im Erbgut, die z. B. auf ein Krankheitsresistenz-Gen hinweisen. Gelingt der Nachweis der flankierenden Ortsschilder, so ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der Gen-Ort selbst in der Nähe. Damit wird die Züchtung neuer Sorten erheblich beschleunigt. Denn man spart sich langwierige Anbauversuche, um z. B. zu zeigen, dass eine Pflanze resistent gegen Mehltaubefall ist. Mit Hilfe der Marker hingegen lässt sich rasch feststellen, ob die gewünschte Eigenschaft bei der Kreuzung vererbt wurde.
Wenn man, wie die JKI-Züchtungsforscher, bestimmte Pflanzenmerkmale ihren Genen zuordnen möchte, dann sammelt man Daten von Gensequenzen aus dem Pflanzengenom. Hinzu kommen Datensammlungen von so genannten phänotypischen Merkmalen bestimmter Zuchtklone bzw. -linien aus dem Gewächshaus oder dem Freiland. Diese enorme Flut experimenteller Daten gilt es zu ordnen und zu analysieren. Hier kommt die Bioinformatik als interdisziplinäre Wissenschaft ins Spiel. Sie beinhaltet unter anderem die Sequenzanalyse von Genen, aber auch Biometrie, Mustererkennung, Bildverarbeitung, Datenmanagement oder Datenintegration. Seit 2013 nimmt am JKI eine institutsübergreifende Gruppe diese Querschnittsaufgaben war.
Kernaufgabe für die Züchtungsforschung ist die Sequenzanalyse, konkret die Verarbeitung von Sequenzdaten aus dem Bereich „Next Generation Sequencing“. Die Datensätze umfassen in der Regel Millionen von kurzen Gen-Sequenzen, die nicht mehr „per Hand“ zu verarbeiten sind. Dies muss durch geeignete bioinformatische Werkzeuge halb-automatisiert gewährleistet werden.
In einem weiteren Arbeitsschritt werden statistische Methoden zur Auswertung von Messdaten an Pflanzen angewendet. Die dafür notwendige Rechentechnik übersteigt in den meisten Fällen die Kapazität herkömmlicher Arbeitsplatzrechner. Sie wird daher zentral durch die Bioinformatik-Gruppe in Zusammenarbeit mit der Zentralen Datenverarbeitung des JKI bereitgestellt.
Die Fähigkeit von Pflanzen, aus einer einzelnen Zelle wieder eine komplett neue Pflanze mit Wurzeln und Blüten zu erzeugen, erleichtert die Arbeit von Züchtungsforschern ungemein. Diese so genannten In-vitro-Methoden sind zu einem wichtigen Instrument für die praktische Züchtungsforschung und Züchtung geworden und sind fester Bestandteil von Zuchtstrategien. Eine In-Vitro-Kultur ermöglicht die schnelle Vermehrung von genetisch identischen Organismen. Wildarten, die bestimmte Resistenzmerkmale aufweisen, und Hochleistungssorten, die meist durch einen hohen Ertrag glänzen, lassen sich meist nicht mehr miteinander kreuzen. Trotz ihrer nahen Verwandtschaft sind die genetischen Unterschiede schon zu groß. Mit bestimmten Techniken, wie etwa der Protoplastenfusion und der Embryo-Rescue-Technik, lassen sich diese Barrieren überwinden.
Die genannten Methoden, bei denen Gene aus einer Wildart in eine Hochleistungssorte transferiert werden, erfordern eine Pflege im Reagenzglas, die mehrere Jahre dauern kann. Angesichts stetig neuer Anforderungen müssen auch diese Kultivierungsmethoden ständig weiter entwickelt werden und die Techniken je nach Fragestellung und Pflanzenfamilie angepasst werden.