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Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen

Inhalt: Interview mit dem neuen Institutsleiter Prof. Dr. Benjamin Stich

Seit Anfang Juni 2023 leitet Prof. Benjamin Stich das Fach-Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen (ZL) in Groß Lüsewitz. JKI-Pressereferent Johannes Kaufmann sprach mit dem Züchtungsforscher, der von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf zum JKI wechselt, über den Start in seine neue Position.

Herr Prof. Stich, Sie sind neu am JKI, bitte stellen Sie sich kurz vor.

Ich bin in Heidenheim an der Brenz aufgewachsen und habe in der Schule mein Interesse für Naturwissenschaften entdeckt. Ich habe dann über ein entsprechendes Studium nachgedacht, fand aber auch immer schon die landwirtschaftliche Produktion spannend. Die Universität Hohenheim hat diese beiden Interessen in einem Studium kombinierbar gemacht: Agrarbiologie. Nach einem Praktikum in einem landwirtschaftlichen Betrieb bin ich dann über ein weiteres in einem Züchtungsunternehmen zur Genetik gekommen. In Hohenheim wurde ich in der Pflanzenzüchtung promoviert und habe dort auch in diesem Fachgebiet habilitiert. Danach bin ich zum Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln gewechselt, wo ich eine Nachwuchsforschergruppe zu quantitativer Kulturpflanzengenetik leiten durfte. Anschließend war ich bei zwei Züchtungsunternehmen beschäftigt, beim zweiten hat meine Frau als Maiszüchterin gearbeitet. Da das Leben als Maiszüchter mit seinen vielen Dienstreisen aber schwer vereinbar war mit unserer Vorstellung von Familienleben, kam das Angebot, in die akademische Forschung zurückzukehren, sehr gelegen. Daher habe ich eine neue Professur für quantitative Genetik und Genomik der Pflanzen im Exzellenzcluster CEPLAS an der Universität Düsseldorf übernommen, die mir zudem ermöglicht hat, wieder tief in die Grundlagenforschung einzutauchen.

Sie hatten ökonomische und familiäre Gründe für ihre Wechsel in die Wirtschaft und zurück in die freie Forschung an der Universität. Warum jetzt der Schritt in die Ressortforschung?

Aus meiner Perspektive müssen sich Inhalt und Fragestellung der Ressortforschung, zumindest beim Großthema Pflanzenzüchtung, nicht von der universitären Forschung unterscheiden. Für mich ist das eher eine Frage der Möglichkeiten. Ich bin Pflanzenzüchtungsforscher mit Leib und Seele, und die Möglichkeiten, die da ein Institut wie das JKI bietet, kann einem eine Universität praktisch nicht bieten. Hier kann ich genau die Forschung betreiben, die ich schon lange machen will.

Woher kommt Ihr Bezug zur landwirtschaftlichen Praxis? Von einem Hof kommen Sie ja nicht.

Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Mich hat immer schon der Lebensmittel- bzw. Produktionsaspekt von Pflanzen interessiert, das direkte Umsetzen naturwissenschaftlicher Forschung in Produkte. Und für mich ist das in der Pflanzenzüchtungsforschung ideal kombiniert. Wie kann ich die Genetik in einem Samen so beeinflussen, dass daraus eine Pflanze entsteht, die bestmöglich an die Bedürfnisse des Menschen angepasst ist? Das motiviert mich schon seit Beginn meiner Karriere.

Es ist ja ein Unterschied, ob man einen Stoffwechselweg in Arabidopsis erforscht oder Kulturpflanzensorten verbessert.

Richtig. Für mich gibt es zwei Arten von Genetikern. Die einen interessieren sich für den Mechanismus an sich: Warum blüht die Pflanze? Die anderen wollen wissen, welche Gene dafür verantwortlich sind, dass dieselbe Art einmal schon nach 30 und einmal erst nach 120 Tagen blüht? Diesem Typ, der die natürliche Variation verstehen will und damit näher an der landwirtschaftlichen Praxis ist, fühle ich mich zugehörig.

Sie wurden in Heidenheim geboren, haben in Hohenheim studiert und später im bayerischen Pocking gearbeitet. Das liegt alles weit im Süden, jetzt gehen sie ganz in den Norden an die Küste. Ist das ein Kulturschock?

Nein, bisher nicht. Zudem war ich bei KWS in Göttingen und habe mehrere Jahre in Düsseldorf gelebt. Und damit nördlich des Weißwurstäquators. Außerdem ist meiner Erfahrung nach die Diversität der Einwohner an einem Ort größer als die Mittelwertsunterschiede zwischen den Einwohnern verschiedener Regionen.

Sind Sie mit Familie umgezogen?

Nein, bislang bin ich noch Wochenendpendler. Meine Frau und meine zwei Söhne wohnen in Düsseldorf. Aber wenn wir hier ein passendes Nest gefunden haben, hoffe ich, dass die Familie nachkommt.

Bleiben wir bei der Diversität von Kulturen: Sie hatten einen Schwerpunkt in der Maiszüchtung. In Groß Lüsewitz wird viel an Kartoffeln, Lupinen, Roggen usw. gearbeitet. Ist das Neuland für sie, oder haben sie da bereits Anknüpfungspunkte?

Mit Mais habe ich mich vor allem während meiner Diplomarbeit und meiner Doktorarbeit sowie später als Maiszüchter beschäftigt. Aber im Laufe meiner Karriere habe ich auch immer wieder an anderen Kulturen gearbeitet. Am Max-Planck-Institut habe ich eng mit Christiane Gebhardt zusammengearbeitet, die intensiv an Kartoffeln forschte. Die Genetik der Gerste, mit der ich mich in Düsseldorf beschäftigt habe, unterscheidet sich als Selbstbefruchter nicht fundamental von der von Hafer oder Lupine. Gleiches lässt sich auch über die Fremdbefruchter Mais und Roggen sagen.

Bringen Sie Lieblingsthemen oder wissenschaftliche Steckenpferde mit in ihre neue Position am JKI?

Als übergeordnetes Thema würde ich hier die Zuchtmethodik nennen. Ich will verstehen, wie sich der Zuchtprozess möglichst effizient gestalten lässt. Das betrifft z.B. den Einsatz neuer Technologien. Neue Technologien wie das Genome Editing? Das ist nur eine neue Methode. Genome Editing nutzen wir als Werkzeug, um die Beteiligung einzelner Gene an Mechanismen zu validieren. Ich denke da aber eher an andere Techniken wie etwa die Nutzung von Drohnen. Wie lassen sich die Daten, die Drohnen und die daran befestigten Sensoren liefern, optimal in den Zuchtprozess integrieren? Wie lässt sich die Genomsequenzierung, die zuletzt deutlich günstiger geworden ist, ideal nutzen?

Wo sehen Sie die aktuellen Schwerpunkte ihres Instituts, und wo werden Sie für die kommenden Jahre die Schwerpunkte legen?

Ich möchte an dieser Stelle in Bezug auf die Zukunft keine Themen oder Ansätze nennen, weil wir gerade einen Strategieprozess gestartet haben, dem ich nicht vorweggreifen will. Können Sie das erläutern? In Groß Lüsewitz wurden im Institut ja erst kürzlich die lokal vorhanden Gruppen aus ZL und RS zusammengeführt. Dieser Umbruch ist zumindest in den bearbeiteten Spezies und Schwerpunkten noch präsent. Daher finde ich es wichtig, dass wir zusammen erst einmal die aktuelle Situation analysieren und anschließend diskutieren, wie wir uns für die Zukunft aufstellen wollen. Was können wir besonders gut? Was wollen wir stärken? Solche Fragen müssen wir erst einmal klären, bevor ich die Frage beantworten kann, wohin sich das Institut entwickelt. Ich habe natürlich eigene Vorstellungen dazu, möchte die aber anreichern mit denen der Kolleginnen und Kollegen. Eines meiner Ziele ist auf jeden Fall, die wissenschaftliche Sichtbarkeit des Instituts zu stärken.

Wie wird dieser Prozess aussehen? Gehen Sie in Klausur?

Nein, in Klausur gehen wir aktuell nicht, dazu gibt es im Sommer zu viele Aktivitäten im Feld. Es beginnt erst einmal mit einem Treffen der Arbeitsgruppenleiterinnen und -leiter. Wir werden im Detail die Ergebnisse der Begutachtung des Wissenschaftsrats und die Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirats des JKI besprechen. Hinzu kommt unsere eigene Auffassung über die Stärken und Schwächen und das Profil, das wir in Zukunft ausbilden wollen. Das beinhaltet dann auch die Frage der Kulturarten, denen wir uns künftig widmen wollen. Dies werden wir dann Schritt für Schritt vertiefen.

Die Vielfalt in Groß Lüsewitz reicht von großen Kulturen wie Kartoffeln bis zu Nischenprodukten wie Lupinen. Im Zuge des Klimawandels werden nun vermehrt auch exotischere Feldfrüchte wie Soja, Hirse oder Kichererbsen diskutiert. Wird das Portfolio weiter wachsen?

Die Kartoffel ist bezogen auf die Fläche zwar eine größere Kultur, aber die Züchtungsforschung dazu ist überschaubar. Wir brauchen die Diversität der Kulturen, aber zugleich müssen wir natürlich aufpassen, dass wir die vorhandenen Ressourcen nicht zu sehr verdünnen. Deshalb müssen wir auch berücksichtigen, welche anderen Institutionen in Deutschland, Europa und darüber hinaus sich intensiv mit den jeweiligen Kulturen beschäftigen. Wir müssen unser eigenes Profil schärfen, bestehend aus hier am Standort historisch relevanten Kulturen und einigen wenigen weiteren Arten. Auch das ist etwas, das wir im Zuge des Strategieprozesses in Angriff nehmen möchten.

Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade Züchtungsforschung betreiben?

Ich laufe gerne – Mittel- und Langstrecke. Als Familie gehen wir gern klettern, was aber leider weder in Düsseldorf noch im flachen Norden so ideal funktioniert. Dann muss es am Ende doch zum Bouldern in die Halle gehen.

Vielen Dank für das Gespräch und gutes Ankommen am JKI und in Groß Lüsewitz!