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ZO
Institut für Züchtungsforschung an Obst

Inhalt: Interview Prof. Dr. Henryk Flachowsky

Wir unterhielten uns mit Prof. Dr. Henryk Flachowsky, Leiter des JKI-Fachinstituts für Züchtungsforschung an Obst (ZO)

Herr Prof. Flachowsky, bitte schildern Sie kurz ihren Werdegang, auch hier am JKI.

Ich habe Agrarwissenschaften studiert an der Martin-Luther-Universität in Halle und dort am Institut für Pflanzenzüchtung und Pflanzenschutz über Resistenzforschung bei Wildweizen meinen Abschluss gemacht. Nach der Promotion über Geschlechtschromosomen beim Hanf am selben Institut bin ich nach Dresden-Pillnitz gekommen und habe hier am Institut für Züchtungsforschung an Obst in der biologischen Sicherheitsforschung gearbeitet. Zu diesem Thema habe ich später auch habilitiert. Für einige Jahre war ich dann für die Züchtung und Züchtungsforschung bei Beerenobst verantwortlich und habe die Deutschen Genbank Obst (DGO) betreut. 2018 habe ich die Leitung des Instituts von Frau Prof. Dr. Hanke übernommen.

Wie sind Sie vom Weizen über den Hanf zum Obst gekommen? 

Damals gab es nicht sehr viele Stellen in der Pflanzenforschung. Ich habe einfach nach PostDoc-Stellen in der Pflanzenzüchtung gesucht und bin mit einem Projekt von Prof. Dr. Hanke fündig geworden. 

Sie hatten keine besondere Beziehung zu Äpfeln oder Obst?

Wenn man auf dem Land aufwächst, hat man irgendwie automatisch eine Verbindung zu Pflanzen und auch zum Obst. Mein wissenschaftliches Interesse dafür hat sich aber erst entwickelt, nachdem ich hier ans Institut kam.

Was reizt Sie an der Pflanzenforschung? Wo sind da Ihre Lieblingsthemen?

Ich will z. B. verstehen, wie verschiedene Resistenzmechanismen funktionieren, um mit diesem Wissen Sorten zu züchten, die irgendwann dauerhaft resistent sind. Ich frage mich, ob es uns gelingen kann, den Anbau so umzugestalten, dass wir mit resistenten Sorten auf einen Großteil des Pflanzenschutzes verzichten können.
Darüber hinaus haben mich schon immer die genetischen Mechanismen der Blütenentwicklung interessiert. Die Blütenentwicklung hat einen enormen Einfluss auf die Fruchtqualität und den Ertrag, und sie ist stark abhängig von klimatischen Bedingungen. Wir müssen herausfinden, wie die verschiedenen Etappen der Blütenentwicklung genetisch reguliert sind, um Sorten zu züchten, die mit den sich ändernden Klimabedingungen besser klarkommen.

Klimawandel, Resistenzen, der Wegfall von Pflanzenschutzmitteln – sie haben schon viele Themen angerissen. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, die auf den deutschen Obstbau zukommen?

Der Wegfall von Pflanzenschutzmitteln bei Beibehaltung der hohen Anforderungen an die Fruchtqualität ist ein echtes Problem. Viele Konsumenten erwarten eine extrem hohe Qualität zu einem sehr niedrigen Preis – und das unter den sich ändernden Bedingungen. Dazu zählen das Klima, aber auch ein stärkeres Bewusstsein für soziale und Umweltfragen. All dem gerecht zu werden, ist eine enorme Herausforderung.

Halten Sie eine Verhaltensänderung der Verbraucher für wahrscheinlich, oder werden eher die Preise steigen?

Das wird stark von der Politik und uns als Gesellschaft abhängen, denn im Moment gibt es ja noch Länder, die zu diesen billigen Preisen nach wie vor gut liefern können. Wenn wir das weiter auf die Spitze treiben, werden wir noch viele Obstbaubetriebe verlieren. Derzeit schließen rund 150 Obstbaubetriebe pro Jahr in Deutschland. Das sind vorwiegend die kleineren, die diesem Druck einfach nicht mehr standhalten können. Wenn es kein Umdenken gibt, wird sich zwangsläufig die Produktion immer stärker ins Ausland verlagern, zum Beispiel nach Polen oder in die Ukraine.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat kürzlich einen Apfelbauer porträtiert, der ganz ohne Pflanzenschutzmittel produziert. Er pflanzt vor allem viele verschiedene Sorten durcheinander wie auf einer Streuobstwiese, was den Schädlingsdruck verringert. Ist eine solche Art von Obstbau realistisch für mehr als kleine Versuchsanlagen?

Das ist zumindest bedenkenswert. Mischpflanzungen sind ein viel diskutierter Ansatz, um unterschiedliche Resistenzen in einer Anlage zu mischen. Das hat den Vorteil, dass sich Erreger schlechter ausbreiten und Resistenzen nicht so schnell durchbrochen werden können. Das Problem dabei ist aber, dass der Markt von den Obstbauern erwartet, dass die Früchte in hoher und gleichbleibender Qualität sortenrein geerntet und gelagert werden. Mit Mischpflanzungen ist das bei den heutigen Anbausystemen und den aktuellen Marktpreisen schwer zu realisieren. Wenn es aber gelänge, Sorten mit ähnlichen Erntezeitpunkten zu züchten, könnte man diese zusammen abernten und dann über gute Sortieranlagen wieder trennen. Ansonsten funktioniert die in der Frage beschriebene Form des Mischanbaus nur mit einem sehr hohen Arbeitsaufwand und einer besonderen Käuferklientel, die wir in Deutschland nur in begrenztem Umfang haben.

2021 wird das Internationale Jahr des Obstes und Gemüses. Welche Bedeutung hat das für Ihr Institut?

Wir werden uns an verschiedenen Aktionen beteiligen, etwa an der Grünen Woche in Berlin und der Internationalen Pflanzenmesse in Essen. Wir haben den Apfeltag in Dresden-Pillnitz und mit unseren tschechischen Kollegen unseren gemeinsamen Cherry Day in Holovousy (Tschechien). Auch an der Langen Nacht der Wissenschaften nehmen wir teil. Wir werden rund ums Jahr mit zahlreichen Aktivitäten zum Thema präsent sein.

Was sind die wichtigsten Aufgaben, die in den nächsten fünf Jahren auf Ihr Institut zukommen?

In der Züchtungsforschung müssen wir vor allem digitale Verfahren für die Phänotypisierung etablieren. Es gibt eine ganze Reihe von Merkmalen wie etwa die Blütenknospenentwicklung, bei denen wir mit herkömmlichen Methoden nicht in der Lage sind, umfangreiche Sammlungen genetischer Ressourcen zu evaluieren. Da diese Merkmale aber immer wichtiger werden, brauchen wir diese phänotypischen Daten, um genetische Mechanismen aufklären zu können.
Für die Züchtung brauchen wir geeignete Strukturen für eine zielgerichtete Markteinführung neuer Sorten. Dafür bauen wir gerade ein insektensicheres Zelt (Saranhaus). Dieses Zelt ist für uns immens wichtig, damit wir für potentielle Interessenten sauberes Vermehrungsmaterial unserer Sorten bereithalten können.
Darüber hinaus wollen wir die Deutsche Genbank Obst (DGO) weiter ausbauen. Die DGO hat sich in den letzten Jahren großartig entwickelt. Sie ist neben der Erhaltung obstgenetischer Ressourcen heute auch zu einem wichtigen Bindeglied im Dialog zwischen Wissenschaft, Politik, Erwerbsobstbau und Obstliebhabern geworden.

Warum ist es so schwer, für fertige Sorten Interessenten zu finden?

Der Markt ist hart umkämpft. Die Einführung einer neuen Sorte bedarf eines zielgerichteten Marketings. Dafür haben wir weder die Kapazität, noch ist das unser Auftrag. Wir müssten auf großen Obstmessen mit einem eigenen Stand präsent sein und dort unsere Sorten anpreisen. Einen Stand auf so einer Obstmesse könnten wir aber gar nicht bezahlen. Und wenn man eine Baumschule für eine neue Sorte begeistern will, muss man zertifiziertes Vermehrungsmaterial liefern können. Das muss erst einmal aufgebaut und virusfrei gemacht werden. Anschließend müssen die Bäume in insektensicheren Gewächshäusern und Obstreisermuttergärten als Mutterpflanzen vorgehalten werden. All das kostet Geld und Kraft. Das können wir nicht leisten. Zum einen endet unser gesetzlicher Auftrag mit der Bereitstellung eines neuen Sortenkandidaten, zum anderen fehlen für die Vermarktung geeignete Strukturen. An letzterem arbeiten wir sehr intensiv, damit die Privatwirtschaft schneller auf unsere Sorten aufmerksam wird und auch ein Interesse am Anbau entwickelt. Ohne eine solche Struktur ist das Interesse an neuen Sorten aus staatlicher Züchtung gering, weil es andere Vertriebsgesellschaften und Konsortien gibt, die mit neuen Sorten aus dem Ausland auf den Markt drängen. Oftmals sind diese hoch anfällig, weil sie vorwiegend auf Qualität ausgelesen sind und nicht nach Resistenz oder danach, ob ein Anbausystem dadurch nachhaltiger wird.

Obstzüchtung braucht sehr lange. Ist es für Sie realistisch, dass Sie die Züchtung einer neuen Sorte vom Start bis zur Zulassung als Institutsleiter erleben?

Ja, wenn ich bis 67 arbeite, könnte es noch klappen. Aber es wird eng.

Gibt es eine Sorte, bei der Sie sagen würden: Das ist mein Baby?

Ich bin kein Züchter. Ich leiste einen Beitrag im Rahmen der Züchtungsforschung, damit unsere Züchter effizienter arbeiten können. Es gibt aber Sorten von uns, die ich sehr gerne esse. Der Apfel 'Pia Delight' wird in einem sehr geringen Umfang hier in der Region angebaut. Für den Handel ist er eigentlich zu weich, und er wird auch den deutschen Erwerbsobstbau nicht groß stärken, aber es gibt ihn hier in der Direktvermarktung. Mir persönlich schmeckt dieser Apfel besonders gut. Pia41 ist ein grüner Apfel mit hervorragendem Aroma. Der findet zurzeit viel Zustimmung im deutschen Erwerbsobstbau. Bei den Süßkirschen haben wir auch tolle Sorten wie z. B. 'Areko', 'Polka' und 'Bolero'. Die sind groß, fest, sie schmecken gut, und wenn sie die gut ausgereift bekommen, sind sie wirklich eine Bereicherung für den Markt. Wir müssen es nur schaffen, dass sie auch angebaut werden.

Lieber Herr Flachowsky, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg am JKI. (Das Gespräch führte Johannes Kaufmann, Pressereferent am JKI)